Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

208 Elstes Buch. Siebentes Capitel. 
Soeben langte Prinz Carl mit den Oesterreichern in der Gegend 
von Dresden an; sei es nun, daß er die Stellung Rutowskys nicht 
so fest fand wie dieser selbst, oder daß es ihm in der That unmög- 
lich war: er glaubte sich mit demselben nicht vereinigen zu können 
und forderte ihn vielmehr auf, sich zu ihm in die unmittelbare Nach- 
barschaft der Hauptstadt zurückzuziehen. Rutowsky, welcher auch ohne 
den Prinzen der anrückenden preußischen Armee an Truppenzahl über- 
legen war, zog es vor, die einmal eingenommene Stellung zu be- 
haupten 1). 
Unfern der Hügel, an deren Fuße Kesselsdorf liegt, bildet die 
Tzschone einen jener Gründe, die hier von dem hohen Lande nach 
der Elbe hin laufen; immer tiefer und schwerer zu passiren, je mehr 
man sich diesem Strome nähert. Rutowsky besetzte den Hügel und 
befestigte das Dorf mit starken Batterien; von da erstreckte sich seine 
Aufstellung längs des Grundes bis nach Zöllmen und Benerich, wo 
sich die Oesterreicher unter Grüne an ihn anschlossen. Sie war auch 
hier durch einige Batterien bedeckt, welche den Uebergang über den 
Grund unmöglich zu machen schienen. 
Aus dieser Stellung nun hatte der Fürst von Anhalt die Sach- 
sen zu verjagen, nicht um das Land zu erobern, sondern um den 
Frieden zu erzwingen, — wie der König sagte, um ihnen das Schwert 
zu entwinden, das sie nur zu ihrem eigenen Verderben brauchten. 
Rutowsky war ehrgeizig, voll von weitausgreifenden Plänen, 
hartnäckig in seinem Sinn; der Ruhm seines Halbbruders, des Mar- 
schalls von Sachsen, spornte ihn an, aber dessen Kriegstalent besaß 
er bei weitem nicht; er galt für vergnügungssiüchtig und nachlässig; 
die Memoiren, die sein Adjutant nach seiner Anweisung niedergeschrie- 
ben, zeigen wenig Voraussicht und Klarheit. 
Die Preußen erstaunten selbst, als sie Meißen genommen und 
den wichtigen Paß von Neustadt unbesetzt fanden. In vollem Galopp 
ließ der Fürst von Anhalt seine Cavallerie heransprengen, ihn in Be- 
sitz zu nehmen. Am 14. December hielt er dort sein Nachtquartier, 
am 15. setzte er sich in vier Colonnen, wie er von Halle ausgezogen, 
1) Erzählung Franchini's in Wien: qu'’il (le Duc) leur avoit fait dire 
Plusieurs fois de plustot se replier sur lui que de risquer seul une affaire 
Fénérale, qu’il avoit 414 trop loin pour avoir pu venir à temps, que les 
Saxons M’'avoient pas voulu suirre son avis, qu’ils s'étoient crus dans un 
poste si sür, qu’ils avoient à craindre, croiant, qu'une ravine qui étoit 
devant eux seroit impraticable. (Aus einem Schreiben des Prinzen Lubwig 
von Wien.)
	        
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