Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

Verschwinden der Friedensaussichten. 35 
Dazu kam noch eine Betrachtung von allgemeinem Inhakte. 
Waren nicht eben die geistlichen Stände, wenigstens in den innern 
Reichsangelegenheiten, immer die besten Verbündeten des Hauses Habs- 
burg gewesen? Mit ihnen hing die Corporation des höheren Adels 
zusammen, der in den Capiteln saß und eine große und angesehene 
Clientel durch das ganze Reich hin bildete. Man empfand es in 
Wien schon als eine Widerwärtigkeit, daß der Gedanke, das Gebiet 
von Passau zur Entschädigung zu verwenden, bekannt werden könnte, 
in Betracht aller der Verstimmung, die in dem dortigen Capitel und 
dem ganzen Lande darüber zu erwarten sei 1). Und keinen Augen- 
blick ließ Oesterreich die Hoffnung fallen, noch einmal zum Besitz der 
kaiserlichen Macht zu gelangen. Ohne die Unterstützung der geist- 
lichen Stände wäre dieselbe, nach der bisherigen Erfahrung, ohne 
Wirksamkeit gewesen. 
Wenn man aber dergestalt vermied, sich an diesen Entwürfen zu 
betheiligen, so konnten sie sogar zum Mittel der Feindseligkeit dienen. 
Hätte der Kaiser die Einleitungen bloß dem König von Preußen 
anheimgegeben, so würde das Geheimniß beobachtet und sein Name 
geschont worden sein. Aber die pfälzischen Minister ließen sich un- 
vorsichtiger Weise bewegen, ihre Entwürfe in ziemlicher Ausführlich- 
keit und mit mancherlei neuen Modificationen denen vorzulegen, die 
kein Bedenken trugen, sie anderweit mitzutheilen. Schien es doch 
Manchen, als habe man sie ihnen absichtlich abgelockt, um sic zu 
veröffentlichen. So wie nun aber der österreichische Hof eine einiger- 
maßen ofsizielle Kunde erlangt hatte, erhob er sich mit der gewohn- 
ten, auch hier orthodoren Heftigkeit dagegen. Der Frankfurter Hof, 
heißt es in einer schon im März 1743 verbreiteten Schrift, sei eben 
so gewaltsam gegen Geringere, als er gegen Stärkere sich leicht weg- 
werfe; er habe nur „seine ungerechte Anständigkeit“ vor Augen; um 
ein baierisches Königreich zu errichten, wolle er die Reichsunmittel- 
baren zu Landsassen machen, die meisten Glieder des schwäbischen 
und fränkischen Kreises unterdrücken und namentlich die angesehensten 
geistlichen Stände vernichten; auch die Königin sehe wohl, daß sie 
eins und das andere erlangen könne, aber sie wolle ihr Gewissen 
nicht mit Einziehung geistlicher Stiftungen beschweren. Man kann 
1) Tho very thought of secularisation of PTassau when knowyn to the 
good pious Cardinal of the church, to ihe rich powerful chanoines all 
of the first families of thesc countries and of the very burghers of the 
town and inhabitants of the territories commanding the several borders 
#of the Inn, the Danube and the IIz. — — 
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