Tas Stactsbeivugtiein als Erziehungsgrundjag und als Lehrfad. 21
Die allgemeine Handlungsfähigfeit des Zöglings, ohne die der Er-
wachfene eine Laft, eine Behrgröße, feine Mehrgröße des Staates würde,
verengt fi zur politifhen Handlungsfährgfeit, wenn mir
das unmittelbare Verhalten des Menfchen zum Gtaate ins Auge falfen. Die
itaatsgemäße Erziehung muß den fünftigen Erivachjenen mit diefer politischen,
öffentlichen Handlungsfähigfeit ausrüften. Dazu gehören fo viel al möglid)
Renntniffe über das öffentfihe und ftaatlihe Xeben;
denn ohne fie tappt jedes Staatsglied im Dunkeln (jiehe Wauer, Was foll
der deutfhe Staatsbürger willen ?). Ehe fi) im Ainde die erften fittlichen
Bemwußtjeinsfeime entfalten, gewinnt e3 eine rohe, wenn auch durchaus
findertümliche Kenntnis der Ummelt.
Freilich it die Kenntni3 des öffentlihen und flaatlihen Lebens dem
Kinde nicht leicht zu vermittelt. Der Staat ift ein unfichtbares Ding. Man
fieht ihn midht; Fan ihn aud) nicht greifen. Vieles fieht aber doch ein
Kind, was zur öffentlihen und ftaatlichen Lebenstätigfeit gehört. Tas ift
ihm in angentefjener Weife zum Bemwußtfein zu bringen. Die Teile hält es
oft in feiner Hand; es fehlt ihm nur nod) Das geiltige Band der Einheit.
Aus allen Lehrzweigen firömen neue Brucdftüide und Beftandteile herbei:
KHeimat- und Erdkunde, Geihichte und Naturfunde, Menfchen-, Sitten- und
Slaubenslehre, Zefen, Rechnen, Singen: fie alle arbeiten am Aus- und Auf-
bau des Etaatsbemwußtfeins al3 eines vielräumigen Erfenntnisgebäudes.
Zur politiihen Handlungsfähigfeit gehört weiter Urteilsfähigfeit
in öffentliden und ftaatlihen Dingen. Die Urteilslofigfeit
auf den Gebiete des Etants- und Befellfchaftelebens ift vor allem zu be-
fänıpfen, denn fie ift die größte Feindin alles Stantölebens. Freilich feht
polttifche Urteilsfraft ein hohes Maß von Venfreife überhaupt voraus; denn
c3 bandelt fid) da um die Erfermtnis und Würdigung des Ymeds, des Grundes
aller öffentlihen und ftaatlichen Einrichtungen. Gerade weil diefe Zmede
'o oft unerkannt bleiben, fo oft mißdeutet werben, fo oft in ihr Gegenteil
verfehrt werden, niftet fih Aramohn, Verbitterung, Haß bei denen ein, Die
jich für enterbt, entrecdhtet wähnen. \
„Der Bwed im Recht’, der med aller öffentlichen und ftaat-
lichen Einrichtungen ift ein ganz außerordentlid) wichtiger Lehrgehalt. Hier
muß jeder Gtaatsunterricht feine größte Lehrfunft offenbaren ; denn ein
.berfolg auf diefent ©ebicte ift die Banfrotterflärung der ganzen Staatz-
de.
Die politifche Urteilsfähigfeit foll eben Gejonders die hohen Werte des
Stantes für Das gefamte Menfchenleben, des Einzelnen mie der Gemein-
haften, ang Licht des Haren Bemwußifeing des Böglings befördern. Daraus
ergeben fich dann die fittlichen, ftaatsfittlichen Forderungen von felbft. Vor
allem begründen fie fichb vor dem ımbefangenen Kindesgeifte in unmider-
teglichjter Weife. Ten fittlidhe Zweifel und NAnfechtungen hinsichtlich des
Stactes müffen in der Jugend endgititig überwunden werden, fonft fanır fie
nie zur Charafterftärfe des Etaatsbemußtfeins fommen. Tas Leben ftellt
ven Ermachfenen fchen nod) oft auf harte Proben, men er mit den Ver-
tretern des Gtaates in unliebjamen Streit gerät, wenn er unter gemiffen
Naßnahmen des Staates perfönlich zu leiden hat ufm. Sn folden Wugen-
blifen und für folche Augenblide muß e3 al3 eine wunangreifbare Tatfacdhe
jedem Staatsbürger vorm Bewußtfein ftehen: Der Staat ift ja für did) da
und bemeilt dies tagtäglich in hundertfacher Weife, und menn du jekt ihm