98 Vegetationsverhältnisse.
zwei Arten hervorzuheben: die eine wegen ihres ausgedehnten Vorkommens
und ihres strengen Gebundenseins an quarzhaltiges Gestein, die s. g. Schwefel—
flechte, Lecidea geographica, auf dem Dreisesselberge und dem Lusen ganze Stre-
cken mit grünlichgelber Farbe überziehend; die andere wegen ihrer Verwendbar-
keit zur Bereitung des für den Chemiker so schätzbaren Lakmus, wovon uns
W. Guembel im Jahre 1854 Kenntniß gegeben hat. Es ist die Wetter-
flechte, Lecanora ventosa. Sie trägt auf gelblicher Grundlage große hoch-
rothe Fruchtschüsseln. Noch eines anderen, der Abtheilung der Kryptogamen
angehörigen Gewächses muß hier Erwähnung geschehen, welches die Felsblöcke
da, wo sie der Bergbach bespritzt und der Schatten der Tannen sie feucht
erhält, mit zinnoberrothem Sammte überzieht und einen starken Himbeer= oder,
wie Andere wollen, Veilchengeruch besitzt. Man nennt die damit überzogenen
Steine Veilchensteine. Dieses Pflänzchen, eine aus fadenartig aneinander ge-
reihten Zellen bestehende Alge, heißt Chroolepus Jolithus.
So hat uns die Analyse des Wiesenteppichs von der Sohle des Thales
bis zur Bergeshöhe zu einer Reihe von Pflanzen geführt, welche, streng ge-
nommen, nicht mehr in die Bildung der Wiese selbst mit eintreten, sondern
als die äußersten Ausläufer derselben, als abgetrennte Vorposten hinausge-
schoben sind auf die luftigen Zinnen der Berge und als Felsenpflanzen nach
oben die Vegetation abschließen, wie nach unten die Pflanzen der Gewässer.
Aber gleich wie das Wasser auch in der Höhe, so hat der Fels auch im
Thale seinen besonderen oder doch bevorzugten Bewohner. Die Pflanzen der
Felsen, der steinigen Abhänge, des Kieses und ihnen sich anschließend
des Mauerwerkes und des Schuttes bilden ein besonderes Kontingent
einer jeden Flora, das durch die lockere Verkettung seiner Glieder sich aus-
zeichnet, übrigens je nach dem Vorwalten der krautartigen oder holzigen Gewächse
sich bald der Vegetationsform der Wiese, bald der des Waldes näher anschließt.
Die letztgenannten, die Pflanzen des Schuttes (Ruderalpflanzen), sind
größtentheils kosmopolitische Gewächse, im bayerischen Walde deßhalb so ziem-
lich auch dieselben, wie anderwärts: das Schöllkraut (Chelidonium majus),
mit unordentlich buschigem, zerschlitztem Laube die Unsauberheit des Standortes
mehr verrathend als deckend; der Rauckensenf (Sisymbrium otlicinale); der
Hollerstrauch (Sambucus nigra); Malven (Malva rotundifolia, sylvestris);
Storch= und Reiherschnabel (Geranmm pusillum, molle; Erodium Cicuta-
rium); der Fleck-Schierling (Coniom maculatum); Disteln und Kletten (Car-
duns, Cirsium, Lappa); Bilsenkraut (Hyoscyamus); Nachtschatten (Solanum
nigrum, Dulcamara); taube und Brenn-Nesseln (Camium, Urtica); Eisen-
ruthe (Verbena); Gänsefuß-, Melden= und Kuötericharten (Chenopodium,
Atriplex, Polygonum).
Von Pflanzen, welche sich vorzugsweise auf Mauern ansiedeln, ist als
eine Eigenthümlichkrit des Donauthales bei Passau die aus Ungarn strom-
aufwärts vorgedrungene Artemisia scoparia zu nennen; weiter der aufrechte