Full text: Bavaria. Landes und Volkskunde des Königreiches Bayern.

Oberpfalz und Regensburg. 157 
Laufe des fünfzehnten aber immermehr zur bloßen Natürlichkeit und von da 
zum derben Realismus herabsinken, wenn auch die Meisselfertigkeit immer 
mehr Staunen erregt. Um von der Fülle von Arbeiten der Skulptur nicht 
erdrückt zu werden, müssen wir eine Scheidung vornehmen, die Werke in 
gewisse Gruppen theilen. Wir unterscheiden Grabdenkmäler, Statuen 
und Metallarbeiten. 
Unter den Grabdenkmälern der älteren Zeit zeichnen sich vor allen die 
Hochgräber von S. Emmeran aus. Der Grabstein der s. Aurelia, auch 
einst eine solche erhabene Tumba, zeigt uns diese Jungfrau wie eine Erschei- 
nung aus dem Chore der Seligen mit solcher Anmuth, Zartheit und kind- 
licher Unschuld ausgestattet, daß der Beschaner von dem Bilde sich kaum 
mehr trennen kann (1330). Aus der gleichen Zeit stammen die Hochgräber 
des hl. Emmeran und des hl. Wolfgang. Wie stattlich und feierlich 
liegen sie da in ihrer bischöflichen Rüstung unter dem Gezelte des Grabsteins, 
wie siegreiche Feldherren nach mühevollem Kampfe! Nicht zu zählen sind die 
übrigen prachtvollen Grabmäler (z. B. das Ranftingergrab in Obermünster) 
in Regensburgs Kirchen und im Domkreuzgange. Von den. Grabmälern im 
Gebiete der Oberpfalz sind die großen Tumben des Pfalzgrafen Rupert in 
der Martinskirche zu Amberg (15. J.) und das des Pfalzgrafen Otto in der 
Hofkirche zu Neumarkt rühmender Erwähnung werth. 
Gehen wir zu den Einzelnstatuen und Gruppen über, so dürfen wir nur 
die Skulpturen des Domes in's Auge fassen, gewiß haben die alten Stein- 
metzen das Trefflichste hieher gestellt, dessen sie fähig waren. Es sind Ge- 
bilde aus allen Epochen der Gothik, theils historische Personen, theils sym- 
bolische Gestalten. Wie der alte Spartaner seinen Knaben trunkene Sklaven 
jeigte, um sie vom Laster der Trunkenheit abzuschrecken, so stellten die alten 
Meister hier rings an die Kirchenwand von Aussen thierische Gestalten hin, 
die die Häßlichkeit der Hauptsünden zur Anschauung bringen. Da ist zu 
sehen das hoffärtige Roß, die unreine Lust der Hunde und Schweine, die 
Gemeinheit des Geizes (die Juden, welche an der Schweinsmutter saugen), 
die Schalkheit und Gefrässigkeit des Fuchses u. dgl.' ) Die Perlen der hei- 
ligen Skulptur sind aber am einzigen Westportal zusammengedrängt zur 
Krone, welche die Gottesmutter umgibt. Sie, deren Lebensscenen uns in 
Mitte vor Augen treten, erscheint hier als Königin der Propheten, der 
Apostel, der Martyrer, der Jungfrauen und Bekenner, weßwegen alle diese 
Chöre ihre Vertreter hieher gesendet haben. Einzelne Figuren sind von wun- 
derbarer Vollendung und hohem Liebesreiz. Man betrachte nur die Statue 
des Evangelisten Johannes, oder die der hl. Margaretha, welche man die 
Geliebte unsers Schwanthaler nennen könnte, denn er war immer gefesselt 
don ihrer Schönheit und nannte sie die Königin der Statuen des Doms. 
  
1) Vgl. Niedermayr, Kunst und Künstler i. R. S. 85.
	        
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