218 Oberpfalz u. Regensburg.
fellos ist sie unendlich höher, als man von einem Völklein erwarten sollte,
dem innerhalb eines Zeitraumes von kaum hundert Jahren fünfmal der
entsittlichende Zwang angethan wurde, sein Dogma abzuschwören. Der Grund-
satz „cujus regio ejus religio“ fand kaum irgendwo in Deutschland so viel
praktische Anwendung, als in der Oberpfalz.
Die letzten Jahrzehente brachten das Flußgebiet von Regen und Wond-
reb, Naab und Vils neuerlich zu erhöhten Ehren. Ein Reichthum an Erz,
Kohle und werthvollem Gesteine ward ausgeteuft, wie ihn bis jetzt keine
zweite bayerische Provinz aufzuweisen hat. Den lohnendsten Gewinn aber
erzielten die Schürfversuche auf dem bisher unaufgeschlossenem Felde volks-
thümlicher Sage und Sitte. Nach beiden Richtungen überrascht uns
die zu Tage geförderte Reichhaltigkeit der Ausbeute, ihre Ursprünglichkeit und
Eigenthümlichkeit.
Wir behandeln hier zuvörderst die oberpfälzischen Volkssagen. Die
Gänge dieses Schachtes hat uns ein sinniger und fleißiger Bergmann auf-
geschlossen. Fr. Schönwerth's „Drei Bücher Sitten und Sagen aus der
Oberpfalz (Augsburg 1857— 1859)“ gehören wohl zu den ungewöhrlichen
Erscheinungen auf diesem Gebiete der Literatur, sowohl was die Fülle des
Materials als die Behandlungsweise betrifft. Hier sei das offene Geständ-
niß am Platze, daß wir neben dem, was wir auf unseren Wanderungen selbst
gesammelt und was uns Fr. Panzer in seinen „Bayerischen Sagen und
Bräuchen (München 1848 u. 1855)“ erzählt,!) vornehmlich diese Quelle zu
dem nachfolgenden Abrisse des oberpfälzischen Sagenkreises benützten.
In Absicht auf die Behandlung des Stoffes gibt uns der Aufsatz über
die „bayerischen Volkssagen“ (Bo. I. S. 292 u. ff.) Maaß, auf dessen Vor-
bemerkungen wir uns im Allgemeinen zu beziehen erlauben. Der an histori-
sche Personen und Ereignisse sich anknüpfenden Sage soll die kirchliche Legende
folgen. Das Märchen, die Spuckgeschichte und Alles, was mit der germani-
schen Mythe in Rapport steht, bilde den Schluß.
Jweites Kapitel.
Geschichtliche Sage.
Die oberpfälzische Sage weist so unverkennbar auf germanischen Mythos
hin, daß sie nicht ohne Erfolg den Conjecturen jener Geschichtschreiber ent-
gegen gehalten wird, welche dem Volke der Oberpfalz slavische Abstammung
vindiziren. Wohl gemahnt ab und zu ein eigenthümlicher Brauch, ein Ge-
1) Das Wenige, was außerdem noch in der Nachlese von Wolf's deutschen Märchen
und Sagen, in Schöppner's Sagenbuch der baver. Lande und in einzelnen ober-
pfälzischen Monographicen, wie Doederlein's antiquit. nordgav., Helfrecht's
Beschreibung des Fichtelgebirgs, Wildmeister's churpfälz. Chronik 2c. zerstreut
liegt, ist von sehr untergeordneter Bedeutung.