Full text: Bavaria. Landes und Volkskunde des Königreiches Bayern.

Die Sagen der Oberpfalz 221 
Gemüthes mochte genossen haben, heißt noch heutigen Tages allgemein der 
Kaiserthurm. Was Schöppner in seinem Sagenbuche (III, Nr. 1294) 
von dem Zauberer erzählt, welcher den gefangenen Fürsten aus der Haft 
habe erlösen wollen, ist in selbiger Gegend weniger mundgerecht als die Sage, 
daß ein Schmidknecht aus der Nachbarschaft Mitleid für den schönen, armen 
Herrn gefaßt und in stürmischer Nacht die Außenwand des Thurmes bis zum 
Kerkerfenster erklimmt habe. Aber der edle Friedrich wollte sich nicht heim- 
lich der Haft entziehen, und wies den kühnen Retter zurück. In der Mühl- 
leiten jenseits der Pfreimt wird dem Wanderer noch die Stelle gezeigt, wo 
das für die Flucht bestimmte Pferd gewartet habe. Anbindend an diese Epi- 
sode der deutschen Kaisergeschichte rühmen sich die Bürger des Marktes Luhe 
an der Pfreimt noch heutiges Tages, daß ihnen Ludwig der Bayer zum 
Danke für ihre werkthätige Hilfe beim Transport Friedrichs des Schönen 
auf die Trausnitz ihr Marktholz geschenkt habe.) 
Sei uns hier eine kurze Digression gestattet. Wir haben oben der Kirche 
des ehemaligen Benediktinerklosters zu Kastel, dem Stammsitze der alten Gra- 
sen zu Kastel und Sulzbach, Erwähnung gethan. Kaum eine zweite Kirche 
der Oberpfalz hat der Legende einen so reichhaltigen Stoff geboten. Bemer- 
kenswerth ist aber vor Allem, was die zur Zeit noch lebendige Sage von 
dem Stammvater der Kasteler Grafen erzählt. Das im Rentamtsarchive auf- 
bewahrte Kastler Lehenbuch v. J. 1617, „offgericht durch Fridericum Sa- 
gittarium, churfürstlicher Pfalz renowatorem,“ berichtet, daß Herzog Ernst 
von Kastel durch eine Wasserfluth aus seinem Heimathlande Meotide (See- 
land?) vertrieben und i. J. 975 unter Kaiser Otto II. nach Deutschland 
gekommen sei, wo ihm dieser die sumpfige, waldreiche Gegend um Kastel „im 
Norikau“ für sich und seine Mannen als Wohnsitz angewiesen habe. — Es ist 
das keineswegs eine vereinzelte Stimme, welche von dem nordischen Heimath- 
lande des oberpfälzischen Volkes Kunde gibt. Eine Ahnung unfürdenklicher 
Seßhaftigkeit am Meeresgestade zieht sich durch einen großen Theil des ober- 
pfälzischen Sagenkreises und spricht sich in der reichen Mythe von Wasser- 
riesen und Wasserzwergen, von Meerfrauen, Geisterfischchen und Eisriesen 
aus. Schönwerth (I. c. B. III. S. 364) weist auf mannigfaches Zusam- 
mentreffen litthauischer und oberpfälzischer Sage hin, und erachtet die Ober- 
pfälzer als von der Ostsee hergekommen. — 
Der nördliche Theil der Oberpfalz, welchen Kaiser Karl IV. Mitte des 
vierzehnten Jahrhunderts als „Neuböhmen“ dem Königreiche Böhmen ein- 
verleibt hatte, bewahrt insbesondere noch das Andenken an den König Wen- 
zeslaus. Da und dort spricht man noch von den Zeiten des lustigen 
  
1) Die Sage ist unbegründet. In der Confirmationsurkunde Kaiser Ludwigs v. J. 
1331, welche noch in der Magistratsregistratur hinterliegt, bestätigt der Kaiser dem 
Markte alle Rechte auf das Luher Holz, wie er solche schon früher genossen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.