Die Sagen der Oberpfalz. 233
Es ist eine auffallende Erscheinung, die sich nicht allein in der Oberpfalz
bewährt, daß der Inhalt der Teufelssagen ein namhaft reicherer ist, als der
der Heiligenlegende, wobei wir selbstverständlich nur die im Munde des Vol-
kes lebende, nicht die durch die Schrift überlieferte, „buchgelehrte“ Legende
im Auge haben. Einestheils findet das seine Erklärung in der bereits an-
gereuteten Thatsache, daß die ganze heirnische Göttersage, soviel davon noch
im Gerächtnisse des Volkes zurückgeblieben ist, zum Teufelswerke paraphrasirt
wurde. Anderntheils gründet es nicht nur in dem Umstande, daß überhaupt
das Dunkle, Schreckhafte, Ungeheuerliche die gestaltende Phantasie in höherem
Maaße anregt als das Lichte, Klare und Verständliche; sondern auch in dem
allgemein menschlichen Gefühle der Unvollkemmenheit, der Sündhaftigkeit und
Schwäche. Die Creatur seufzt nach einer Sühne, und findet sie theilweise in
ihrer Ohnmacht gegenüber der Gewalt einer überall thätigen Berführung.
Es liegt etwas Beruhigendes darin, das Prinzip des Bösen als ein Persön=
liches, Objectives ausser uns zu setzen, das, mit übermenschlicher Macht be-
gabt und im Besitze ungewöhnlicher Lockmittel, gegen unser besseres Bewußt-
sein auf uns einwirkt. Diese Wirkung wird nur ausgeglichen durch eine
höhere, göttliche Macht. Der dramatische Effekt der Teufelssage besteht darin,
daß — zum größten Theile wenigstens — der Teufel schließlich doch die
Wette verliert. Der Mensch, der unter seinem Drucke seufzt, rächt sich hin-
wider mit dem Spotte, und stempelt ihn zum „dummen Teufel“, zum Ge-
genstande des Hohnes, der den Kürzeren zieht — so oder so. Schönwerth (I. c.
III, 88) berichtet eine Sage, die als drastischer Beleg dieser Behauptung
gelten mag. „Einmal reisten U. L. Herr und der Teufel mitsammen. Da
bereutete ihm jener, er möge gegen die Menschen freundlich sein: so er ihnen
Gutes erwiesen, würden sie auch ihm dankbar sein. Der Teufel aber wider-
sprach geradezu, und ließ es auf eine Probe ankommen. Auf dem Wege nun
sahen sie einen Bauern seine Kühe auf der Wiese weiden. Da vermochte der
Teufel U. L. Herrn die Kühe in den Graben zu werfen. Sogleich schrie der
Bauer: „Was für ein Teufel muß hier wieder seine Hand im Spiele haben,“
und lief fort um Leute zu holen, welche ihm die Kühe aus dem Loche bräch-
ten. Mittlerweile half aber der Teufel ihnen heraus, und wie der Bauer zu-
rückkehrte und seine Kühe auf der Wiese grasen sah, rief er: „O Du lieber
Herrgott, wie danke ich Dir!“ So hatte der Teufel bewiesen, daß er es bei
den Menschen nie zu Ehren bringen könne.“
Damit sei dieses Kapitel beschlossen.
Viertes Kapitel.
Mythe.
Zur Rechtfertigung der Ueberschrift sei Folgendes bemerkt. Wir betre-
ten mit dem gegenwärtigen Kapitel das Gebiet der Natur-, Zauber= und