Die Sagen der Oberpfalz. 251
„Hat dich verschrieen ein Mann,
Hat dich verschrieen ein Weib,
Hat dich verschrieen eine junge Dirn,
Jetzt will ich's von dir runter kihr'n (kehren)!“
dreimal über dasselbe herabfahren, als wollte sie es abwischen.
Wir haben endlich noch des Bilmesschneiders (Bilberschneider,
Bilblschneider) Erwähnung zu thun. Der Bilmesschnitter geht an gewissen
Tagen querfeld über die Aecker und schneidet die Halme ab. Der Ober-
pfälzer unterscheidet zwischen einem dämonischen Wesen, wie um Falkenstein,
wo es der Teufel selber ist, der mit einer Scheere an jeder großen Zehe die
Felder von einer Ecke zur andern durchschneidet, und zwischen Menschen,
welche mit Hilfe des Teufels den Bilmesschnitt machen können. Letzterer
geht mit einer Sichel über's Kreuz durch die Felder, schneidet die Aehren
ab, und nimmt sie mit. Die zurückbleibenden Aehren sind hohl, und nur
das Stroh davon kann man brauchen. Der Bilmesschneider ist während
seiner Arbeit unsichtbar. Nur Quatember-Sonntagskinder sehen ihn. Auch
wenn man vor Sonnenaufgang aus einer Ecke des Ackers Rasen aussticht
und auf den Kopf legt, kann man seiner gewahr werden. — Ein Bauer
hatte viel Verlust durch den Bilmesschnitt. Da wurde ihm gerathen, die
Decke eines Scherhaufens (Maulwurfhanfens) so auf den Kopf zu setzen, daß
die Wurzeln aufwärts stehen, und dabei kein Wort zu reden. Er that es;
da er aber im Bilbelschnitter seinen Nachbar erkannte, rief er: „He Nachber,
was thoust ?“ Am dritten Tag darnach starb dieser. — Um die Frucht vor
dem Bilmesschnitt zu bewahren, bespritzt man die Seiten des Feldes mit
Wasser, das am Dreikönigsabend geweiht wurde, oder steckt in drei Ecken des
Feldes Kreuzchen aus dem Holze, welches beim Verbrennen des Judas am
Charsamstag angebrannt worden, dann geht der Bilmesschneider beim vierten
Eck hinaus. Im nordöstlichen Theile der Oberpfalz gegen den Böhmerwald
zu ist der Glaube an den Bilmesschneider besonders lebendig. Ein Schmid
in der Weiden gestund mir, daß er regelmäßig in der Christnacht ausdreschen
lasse, weil in dieser geweihten Nacht jeder Schlag des Dreschflegels dem
Bilmesschneider auf den Kopf falle.
Fünstes KAapitel.
Schlußbemerkungen.
Der wunderbare Reichthum sagenhafter Ueberlieferungen, welcher sich in
der Oberpfalz noch jetzt trotz der Aufklärung der Gegenwart vorfindet, und
wovon die vorstehende Abhandlung nur vereinzelte Fragmente zu geben ver-
mochte, hat wohl auch seine persönlichen wie sachlichen Gründe. Das zähe,
ausdauernde Wesen des Oberpfälzers, das sich nach anderer Richtung in
seiner rastlosen Thätigkeit, in seiner Nüchternheit und Entsagungsfähigkeit