Full text: Bavaria. Landes und Volkskunde des Königreiches Bayern.

Volkssitte. 255 
in die Thüre und legt den Wecken verkehrt in die Schublade. — Stirbt die 
Mutter im Kindbette, so gilt an vielen Orten der sinnige Brauch, daß sechs 
Wochen hindurch ihr Bett mit aller Sorgfalt jeden Abend hergerichtet und 
ihre Pantoffeln unter die Bettlade gestellt werden, weil sie sich während 
dieser Zeit allnächtlich um ihr Kind umschaut. Ist die Niederkunft glücklich 
von Statten gegangen, so untersucht vorerst die Hebamme, das Krükerl- 
weib, wie sie am Regen heißt, den neuen Ankömmling, ob er keinen Scha- 
den am Leibe habe. Ist dieses der Fall, so wird am nächsten Charfreitage 
ror Sonnenaufgang ein Weidenstämmchen geschlitzt, das Kind durchgeschoben 
und der Spalt wieder verbunden. Sobald dieser verwächst, heilt auch der 
Schaden. 
Bald nach der Geburt macht sich der Bauer auf dem Weg, um „einen 
Gevatter zu gewinnen“, damit die Taufhandlung nicht verzögert werde. Sie 
wird häufig am Tage der Geburt, spätestens am Tage darnach vorgenom- 
men, und nur in den protestantischen Gegenden wird etliche Tage zugewartet. 
Der Gevattersmann oder, wenn es ein Mädchen ist, die Gevatterin wird 
gebeten, den Täufling zur hl. Taufe zu tragen und aus einem Heiden einen 
Christen zu machen. Um- Roding begibt sich der Vater im Festgewande zum 
„Dod“ und bringt knieend seine Bitte vor. Dieser reicht ihm die Hand, 
hebt ihn auf und sagt es ihm zu. Sitte ist, daß, wer bei dem ersten Kinde 
Patheustelle vertreten hat, selbstverständlich auch bei den übrigen Kindern zu 
Gevatter steht, und gleichen Gegendienst zu gewärtigen hat. Im Sulzbachi- 
schen, in der s. g. Vockey, in der Weidau und den protestantischen Bezirken 
überhaupt wird dagegen gewöhnlich für jedes Kind ein eigener Pathe gewählt. 
Auch der Katholik bequemt sich nachgerade häufig dieser letzteren Sitte, vor- 
zugsweise aus ökonomischen Rücksichten, weil er gerne vermögliche Gevatters- 
leute gewinnen will. Denn der Taufpathe muß — ungerechnet seine be- 
sonderen Verpflichtungen als solcher — seinerzeit auch die Rolle des Firm- 
pathen übernehmen und seinem Pathenkinde zur Hochzeit gehen. 
Sind also diese Vorbereitungen getroffen, so geht es zur Taufe. Hat die 
Hebamme den Täufling nach Gebühr und Kräften „herausgeputzt“, so legt sie 
ihn vorerst der Mutter noch einmal in die Arme und nimmt ihn wieder mit 
den Worten ab: „Einen Heiden trag ich fort; einen Christen bring ich wie- 
der!“ Derweilen warten bereits Vater und Gevatter an der Thüre und er- 
öffnen hiernach den Zug zur Kirche. Die Gevatterin gibt der Hebamme das 
Geleite, und der Thürmer bläst durch einen Choral die Taufe ein, — eine 
wesentliche Ehrenbezeugung, die in den Städtchen, wo sie Sitte ist (Velburg, 
Lupburg, Roding 2c.), der eheliche Sprößling vor dem unehelichen voraus hat. 
Am platten Lande hinwider wird die Taufe häufig angeschossen (Regenthal, 
Falkenstein). 
Die Taufhandlung, welche regelmäßig in der Kirche vorgenommen wird, 
beginnt; der Priester verrichtet die vorgeschriebenen Gebete, und die Hebamme
	        
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