Full text: Bavaria. Landes und Volkskunde des Königreiches Bayern.

850 Schwaben u. Neuburg. 
„Kraut und Kratzet“ (Schmarren) eine große Rolle und fast zu jeder Mahl- 
zeit wird Milch als Nachtrunk aufgestellt. "„ 
Merkwürdig ist, wie in den Gerichten Immenstadt und Sonthofen die 
Nahrung mit dem Menschenschlag derber und ergiebiger wird: In der Heu- 
zeit wird schon um 6 Uhr früh etwas Branntwein und Brod, um 8 Uhr 
nach der Stallarbeit Suppe, Mus, Knödel, um 9 Uhr Milch und Brocken 
gegeben. Der Mittagstisch besteht aus Mehlspeisen, Kuödeln, Kraut, Boh- 
nen, Salat, Milch und Brod, auf den „Nachunter“ um 3 Uhr folgen 
Abends Mehlspeisen, geröstete Erdäpfel, Salat, Hefenküchel, Milch und 
Brocken; Fleisch dagegen wird hier nicht gern gegessen und für Arbeit und 
Klima nicht zuträglich erachtet: außer am Kirchtag, zu Ostern und Weih- 
nachten erscheint daher Fleisch nur, wenn der Bauer aus Zufall ein Stück 
schlachten muß. Das rechte Festessen sind fett gebackene Küchel. Auch in 
den Quellthälern der Iller hat das Gebirgsvolk an seinen ausgiebigen Milch- 
und Mehlspeisen wenig gekürzt; nur die Aermeren haben seit der guten und 
leichten Verwerthung der Milch durch die Eisenbahn mit Rahm, Butter und 
Schmalz mehr zu kargen angefangen. Ein sehr beliebtes Getränk in den 
Wirthshäusern des Allgäus ist der „Suser“, d. h. frisch getorkelker schwä- 
bischer Seewein, dick und mostig; im Sommer wird auch viel weißes Ger- 
stenbier getrunken. Einfacher und besonders weniger fett gehalten als im 
Gebirg sind die Speisen im äußern Allgäu, westlich der Iller: neben Milch 
und Brod begegnet man mehr Fleisch als in den Bergen und statt des Mo- 
stes und Weines Bier. Erdäpfel werden seit den wiederholten und intensi- 
ven Krankheiten, denen sie in den letzten Jahrzehnten in dieser Gegend un- 
terlagen, viel weniger gegessen. Charakteristisch sind hier zu Land die „Birn- 
zelten“ zu Weihnachten. Dagegen im Land am obern Lech, der obern Wer- 
tach bilden Kartoffeln neben Kraut einen Hauptbestandtheil der Kost: beson- 
ders die Abendspeise besteht aus „gelaibten Grundbirn“, d. h. aus den vom 
Morgen übrig gebliebenen und nun in Milch gekochten oder gerösteten Kar- 
toffeln. Bei Besseren gibt es am Samstag ausbedungenermaßen Ofen= oder 
„Hefenkücheln“ und „im Heuet“ Nudeln; Mehlspeisen werden hier aus gutem 
Weizen und Korn mit frischem Schmalz reichlich gebacken. Zum „AUnter“ 
sind die „Nätzla“, d. h. kleine Topfenkäse, beliebt, „z' Nachts“ Schmarren 
und „Gruselsuppe“ (Traufsuppe). Handwerker auf dem Lande essen übrigens 
des Sonntags meistens Fleisch und bei Wirthen und Krämern kömmt es für 
Herr und Frau wohl nachträglich auf den Tisch. Sonst ist der eigentliche 
Fleischtag die Kirchweihe, welche außer einem Ueberfluß von Kücheln und 
Nudeln in einem mittleren Haushalt 6 Pfd. Rind-, 3 Pfd. Schweine= und 
über 12 Pfd. Kalbfleisch bringt. Im Illerthal wird Braunbier nur im 
Wirthshause, Weißbier zur Heu= und Ernotezeit getrunken, dagegen besteht 
große Vorliebe für den See- und Neckarwein und ein „Schöpple Schaffhäuser“ 
gilt als besondres Labsal.
	        
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