Nahrung. 851
Ungenügender und klimatisch wenig entsprechend ist die Kost in dem
Vorland an der obersten Kamlach und Mindel: es fehlt zumal an den in
rauheren Gegenden nöthigen Milch- und Schmalzspeisen: statt Milchmus
muß Wassersuppe, statt des Brodes oft Kartoffeln genügen, statt des Flei—
sches Kusdel aus Weißbrod; dabei wird viel Gemüse gegessen. Der Ge-
brauch des Branntweins nimmt zu in den Flecken bei Weibern und Kindern,
auch der des Kaffees, der sonst nur als Leckerei gilt, und seiner Surragate.
Reichlichere Milch und Mehlspeisen fiuden sich wieder an der mittleren
Wertach.
Im „Unterlaud“ an der untern Iller überwiegen die Mehlspeisen der
Milch-, Gemüse= und Fleischkost: die „Pfannenspeisen“, in den drei Sommer-
monaten Kücheln, stehen obenan. Braunbier wird hier neben dem allgemei-
ner genossenen weißen als Luxusartikel angesehen: ebendieß gilt in den prote-
stantischen Dörfern dafelbst, nur daß etwa neben dem „Zieger“, den „Knöpfle“
und „Spätzle“ mehr Milchspeisen genossen werden. Eine Nationalspeise die-
ser Landschaft ist aber der „Schübling“, welcher vom Bauer im Wirthshaus
fast ausschließlich verzehrt wird; übrigens ist der Besuch der Wirthshäuser
hier zu Land ein löblich geringer: am Werktag wird man kaum einen Bauer
dort finden, wenn er nicht Geschäfte hat, und auch am Sonntag leeren sich
nach dem Läuten zum Abendsegen die Stuben rasch.
Im Thal der Günz halten die Bauern nach ihrer eignen Erklärung
ihre Kost für „gut und gnug“; sie verwenden dazu ihre besten Erzeugnisse,
Mehl und Milch werden mehr als Fleisch und Gemüse verwendet: treffliches
Semmelkernmehl wird zu den täglichen „Spätzle“, dem „Frühmus“, dem
„Eierhaber“ verwendet, das Fett nicht gespart und überall schönes Roggen-
brod gebacken. Die Suppe wird hier als letzte Speise aufgetragen: noch
reichlicher leben die Leute im Laber= und Roththal.
An der ebern Donau, im Ulmer Ried, und rechts der Donau ist die
Nahrung erklärlicherweise nach den Besitzverhältnissen sehr verschieden: das
auf besserem Grund wohnende Volk des südlichen Theils nährt sich natürlich
um vieles besser als die ärmeren Rieder und die Leute an der Donau hal-
ten zwischen beiden die Mitte. Während im Süden die Kost dieselbe ist wie
an der Iller und Günz, haben im Ried selbst die Vermöglicheren eine viel
geringere, rohere und sehr monotone Kost: Wassersuppen mit Spätzle aus
schwarzem Mehl, beim „Brodessen“ allzubuchstäblich nur Brod, im Winter
von Erdäpfeln ersetzt, zu Mittag fast täglich Knödel und wassergesottenes
Schwarzbrod mit Gemüse, bei Aermeren statt der Mehlspeisen nur grobes
Hausbrod in Schmalz gebacken müssen genügen. Ein auszeichnendes Früh-
stück beginnt an manchen Orten der Kaffee zu werden, der besonders in prote-
stantischen Orten an Communionstagen 2c. die Suppe ersetzt.; Braunbier,
erst seit 25 Jahren etwa im Ried bekannt, ist noch ein Festgetränk. Etwas
besser nähren sich die Leute im Kammel= und Floßachthal; ähnlich ist die
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