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die Ausübung der ständischen Mitaufsicht über die Finanzverwaltung
in dem Maaße übertragen, daß ihm die Voranschläge des Staatshaus-
halts-Etats des zweiten und des dritten Jahrs jeder Finanzperiode zur
Berathung, so wie die Rechnungen der einzelnen abgelaufenen Finanz-
jahre zur Einsicht von der Landesregierung mitgetheilt werden.
Auch kann derselbe, falls besondere Umstände die Veräußerung
eines Staatsgutes nöthig oder rathsam machen, die ständische Zu-
stimmung ertheilen, wenn das zu Veräußernde einen Werth von 10 000
Thalern nicht übersteigt. Es ist jedoch zugleich über die Verwendung des
eingehenden Preises eine Uebereinkunft zu treffen.
§+ 190. b. außerordentliche. Wenn außerordentliche Er-
eignisse die zeitige Versammlung des Landtags unthunlich machen, oder
wenn Gefahr mit dem Verzuge verbunden ist und die ordentlichen Be-
willigungen und Geldmittel zur Erreichung des Staatszwecks und zur
Erhaltung des Staatswohles unzureichend sind, können mit Bewilligung
des ständischen Ausschusses:
1) die Steuern erhöhet und neue Steuern aufgelegt werden, jedoch
nicht länger als auf 6 Monate, und
2) Staatsanleihen bis zu dem Betrage von 100 000 Thalern ge-
schlossen werden.
Alle in Folge einer solchen Uebereinkunft von der Landesregierung
getroffene Maßregeln und deren Gründe sind indeß so bald als thunlich
der Ständeversammlung von der Landesregierung vorzulegen.
Steuerverwilligungen dieser Art hören in dem Augenblicke auf,
Kraft zu haben, wo die Ständeversammlung ihnen ihre Zustimmung
versagt. Staats-Anleihen dieser Art sind gültig, jedoch kann, wenn eine
Bewilligung bis zu dem angegebenen Betrage erfolgt ist, ein neues
Anlehen, bevor die Ständeversammlung zusammenberufen worden, nicht
gemacht werden.
Darüber: ob die Versammlung der Stände unthunlich, oder ob
Gefahr im Verzuge sei? — entscheidet die Landesregierung, jedoch unter
Verantwortlichkeit sämmtlicher stimmführenden Mitglieder des Staats-
ministeriums, von welchen allen daher die zu erlassenden Verfügungen
zu contrasigniren sind.
Siebentes Capitel.
Von der Rechtspflege.
191. 1. Gerichtsbarkeit. Alle Gerichtsbarkeit geht vom
Landesfürsten aus. Die Patrimonial-Gerichtsbarkeit bleibt aufgehoben.
5 192. 2. Trennung der Rechtspflege von der Ver-
waltung. Die bürgerliche und die Straf-Rechtspflege soll, mit Aus-
nahme der durch das Gesetz den Einzelrichtern überwiesenen Gegen-
stände, ferner der Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie bis-
her, getrennt von der Landes-Verwaltung, durch collegialisch gebildete
Gerichte, in gesetzlicher Instanzen-Ordnung, ausgeübt werden.
sa Jeder richterlichen Entscheidung sind die Gründe derselben bei-
zufügen.