Hessen. 199
Art. 82. Wenn die eine Kammer der andern in Hinsicht auf eine
Petition oder Beschwerdeführung nicht beistimmen sollte, so bleibt es
der letzteren unbenommen, die Höchste Regierung von der beabsichtigten
Petition, oder Beschwerdeführung im Wege der gewöhnlichen Mit-
theilung, mit dem Bemerken in Kenntniß zu setzen, daß dieselbe der
andern Kammer, welche aber ihre Zustimmung versagt habe, mitgetheilt
worden sey.
Art. 83. Die Stände sind für den Inhalt ihrer freyen Abstimmung
nicht verantwortlich. Dagegen schützt das Recht der freyen Meinungs-
äußerung nicht gegen den Vorwurf der Verläumdung, welche Einzelne
in dieser Aeußerung etwa finden sollten.
Den Einzelnen bleibt in solchen Fällen das Klagerecht, welches ihnen
gegen Verläumdungen nach den Gesetzen zusteht. Klagen dieser Art
sollen bei dem Provinzial-Justiz-Colleg derjenigen Provinz angebracht
werden, in welcher der Landtag gehalten wird.
Art. 84. Während der Dauer des Landtags sind die Personen,
welche zu der Ständeversammlung gehören. keiner Art von Arrest, als
mit Einwilligung der Kammer, zu welcher sie gehören, unterworfen, den
Fall der Ergreifung auf frischer That bei strafbaren Handlungen aus-
genommen, in welchem Falle aber alsbald der Kammer, zu welcher der
Verhaftete gehört, die Anzeige des Vorfalls, mit Entwickelung der Gründe,
gemacht werden soll.
Art. 85 1). Der Großherzog ernennt den ersten Präsidenten der
ersten Kammer für die Dauer des Landtags.
Sobald ½ derjenigen Mitglieder, welche einberufen werden mußten
Und hätten erscheinen können, eingetroffen ist, versammelt der landes-
berrliche Commissär die Kammer, um dieselbe vorläufig zu constituiren,
worauf sie, unter Vorsitz des ersten Präsidenten, oder, wenn noch keiner
ernannt seyn sollte, unter Leitung des Commissärs, dem Großherzoge
drey Mitglieder, zur Auswahl des zweiten Präsidenten für diesen Landtag
vorschlägt und alsdann zur Wahl zweier Secretarien für die Dauer dieses
Landtags schreitet.
Art. 86 1). Die Zweite Kammer kann, sobald 27 Mitglieder er-
schienen sind, deren Zulassung keinem Zweifel unterworfen zu seyn
scheint, vorläufig constituirt werden.
Dies geschieht durch die Einweisungs-Commission. Bei der Be-
rufung eines Landtags mit neuen Wahlen wird alsdann sogleich, unter
er Leitung der Einweisungs-Commission, zur Auswahl von 6 Mit-
gliedern geschritten, welche dem Großherzoge, zur Ernennung des ersten
und zweiten Präsidenten, vorgeschlagen werden. Bei der Berufung
Eeines Landtags ohne neuen Wahlen dagegen wird die Einweisungs-
ommission dem ältesten Mitgliede der Kammer einstweilen den Präsi-
dentenstuhl anweisen, um, unter Assistenz zweier Secretäre, welche
dasselbe sich zu diesem Acte ernennt, zur Wahl der 6 zu den Präsidenten-
stellen vorzuschlagenden Mitglieder zu schreiten.
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1) Vgl. hierzu Anmerkung zu Art. 76.