Reuß ä. L. 303
VIII. Abschnitt.
Von der Gewähr der Verfassung.
8 87. Die gegenwärtige Verfassung ist sofort nach ihrer Verkündigung
durch den Landesherrn für alle Landesangehörige verbindlich.
Der Regierungsnachfolger und — bei Eintritt einer Regentschaft —
der Regierungsverweser haben beim Antritt der Regierung in Gegen-
wart der Mitglieder der obersten Landesbehörden und des Vorsitzenden
des letzten Landtags oder dessen Stellvertreters bei ihrem Fürstlichen
Worte zu versprechen, daß sie die Verfassung des Landes aufrecht erhalten
und gewissenhaft vollziehen wollen.
Die darüber aufzunehmende von dem Regierungsnachfolger oder
dem Regierungsverweser eigenhändig zu vollziehende Urkunde ist dem
Vorsitzenden des Landtags einzuhändigen, durch die Gesetzsammlung zu
veröffentlichen und in dem Landtagsarchive niederzulegen.
Ueber den Akt der Uebergabe dieser Urkunde ist ein von sämmt-
lichen Anwesenden zu unterzeichnendes Protokoll aufzunehmen.
8 Vor verfassungsmäßig geleistetem Angelöbniß übt der Re-
gierungsnachfolger, bezüglich Regent, die Regierungsgewalt durch die
verantwortliche oberste Landesbehörde aus; letztere hat inmittelst dessen
Regierungshandlungen zu vertreten und dies durch Gegenzeichnung der
ergehenden Erlasse durch ihren Vorstand zu bekunden.
Es bleibt ausdrücklich vorbehalten, Behufs Versetzung von
Staatsdienern in den Anklagestand wegen verschuldeter Verfassungs-
verletzung und Behufs Errichtung eines Gerichtshofes für solche An-
klagefälle das Entsprechende durch die Gesetzgebung zu ordnen und aus-
zuführen (§ 62).
190. Zur gültigen Beschlußfassung über Abänderung, Erläuterung
oder Ergänzung der Verfassung werden erfordert
die Anwesenheit von wenigstens drei Viertheilen sämmtlicher
Abgeordneten,
zwei Abstimmungen, zwischen denen ein Zeitraum von wenigstens
acht Tagen liegen muß,
eine Stimmenmehrheit von wenigstens zwei Drittheilen der an-
wesenden Abgeordneten.
P# 91. Entstehen zwischen der Regierung und der Landesvertretung
Verfassungsstreitigkeiten, über welche sich beide Theile nicht zu einigen
vermögen, so steht jedem Theile frei, auf die Entscheidung des Bundes
bei demselben anzutragen.
z 92. Die bisherige ständische Verfassung tritt außer Kraft. Alle
Gesetze, Verordnungen und Observanzen, welche mit einer ausdrück-
lichen Bestimmung der gegenwärtigen Verfassung im Widerspruch stehen,
sind in so weit aufgehoben und ungültig. ·
Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und dem bei-
gedruckten Fürstlichen Siegel.
Greiz, den 28. März 1867.
(L. S.) Heinrich XXI.
Dr. Herrmann.