Full text: Handbuch der Deutschen Verfassungen.

Reuß j. L. 313 
§ 64. Die Gesetzentwürfe werden von dem Fürsten an die Volks- 
vertretung gebracht; ebenso hat diese das Recht, auf neue Gesetze, sowie 
auf Abänderung oder Aufhebung bestehender anzutragen und zu dem 
Ende Entwürfe vorzulegen. 
* 65. Der Fürst sanktionirt die Gesetze und macht sie bekannt. In 
der Verkündigung wird Bezug genommen auf die erfolgte Zustimmung 
der Volksvertretung. (§ 42.) 
5*s 66. Der Fürst erläßt auch solche, ihrer Natur nach der Zustim- 
mung der Volksvertretung bedürfende, aber durch das Staatswohl 
dringend gebotene Verordnungen, deren Zweck durch Verzögerung ver- 
eitelt werden würde, mit Ausnahme aller und jeder Abänderungen in 
der Verfassung und in dem Wahlgesetze. Dafür, daß das Staatswohl 
Eile geboten habe, ist das Ministerium verantwortlich. 
67. Alle in dieser Weise erlassenen Verordnungen sind dem 
nächsten Landtage zur nachträglichen Beschlußfassung vorzulegen. 
Aus der versagten Zustimmung des Landtages zu einer solchen 
Verordnung folget nicht, daß diese auf die seit ihrem Erlasse vergangene 
Zeit unwirksam werde. 
#§ 68. An der Ausführung der verfassungsmäßigen Beschlüsse der 
Bundesgewalt kann der Landesfürst nicht gehindert und können die dazu 
erforderlichen Mittel von der Volksvertretung nicht versagt werden. 
Hinsichtlich der Art und Weise zur Aufbringung der Mittel ist die 
Mitwirkung der Volksvertretung erforderlich. 
§ 69. In allen Beziehungen zu anderen Staaten vertritt der Fürst 
den Staat allein. 
§ 70. Es kann jedoch durch Verträge mit anderen Staaten kein 
Theil des Staatsgebietes und des Staatseigenthums veräußert, keine 
Last auf das Land oder dessen Angehörige übernommen und kein Landes- 
gesetz abgeändert oder aufgehoben, auch keine Verpflichtung, welche den 
Rechten der Staatsbürger Eintrag thun würde, eingegangen werden, 
ohne daß die Zustimmung der Volksvertretung vor dem Abschlusse ein- 
geholt und ertheilt worden ist. 
& 71. Von dieser Zustimmung sind die bereits abgeschlossenen Ver- 
träge für ihre vertragsmäßige Dauer ausgenommen. 
5# 72. Der Fürst kann einen der Volksvertretung übergebenen Ge- 
setzentmurf noch während der Diskussion darüber wieder zurücknehmen. 
5 73. Die ständische Erklärung, wodurch ein Gesetzvorschlag ent- 
weder ganz abgelehnt wird, oder Veränderungen dazu beantragt werden, 
muß die Angabe der Beweggründe enthalten. 
5 74. Gesetzesvorschläge, welche von dem Fürsten oder von der 
Volksvertretung verworfen worden sind, können bei einem folgenden 
Landtage unverändert wieder vorgebracht werden, während desselben 
Landtages aber nur in veränderter Form. 
75. Die von der Volksvertretung auf Vervollkommnung der 
Gesetzgebung und Verfassung gestellten Anträge oder eingebrachten Ge- 
setzentwürfe sind während des Landtages, auf welchem sie vorgelegt 
werden, in Erwägung zu ziehen.
	        
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