Reuß j. L. 319
8 1131). Ist förmliche Anklage erhoben, so ist zu deren Unter-—
suchung und Entscheidung das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht
in Jena ausschließend kompetent. Es steht aber dem Angeklagten wie
der Volksvertretung frei, auch auf Versendung der Akten an ein anderes
deutsches Spruchkollegium, behufs der Entscheidung über die Anklage an
der Stelle des Oberappellationsgerichts anzutragen.
5 114. Der Fürst läßt daher die erhobene Klage an das gemein-
schaftliche Tribunal zu Jena überweisen. Findet dasselbe die Klage
hinlänglich begründet und durch Angabe der Beweismittel gehörig unter-
stützt, so hat es nach den gesetzlichen Formen das Verfahren einzuleiten,
das Erkenntniß mit Gründen im Namen des Fürsten zu sprechen und
auf dagegen eingelegtes Rechtsmittel dasselbe Verfahren zu beobachten,
wie in anderen Sachen, welche durch Kompromiß an das Oberappellations=
gericht gelangen. (§ 41 f der Oberappellationsgerichtsordnung).
* 115. Von der Ueberweisung der Anklage an das Oberappellations-=
gericht wird die Volksvertretung, oder wenn diese nicht versammelt ist,
der Landtagsausschuß in Kenntniß gesetzt. Uebrigens steht es der Volks-
vertretung frei, einem Anwalt zur Verfolgung der angebrachten Klage
und zur Wahrnehmung des ständischen Interesse beim Oberappellations-
gericht Auftrag zu ertheilen.
Kommt bei einem Verfahren das Interesse der Landeskasse in Frage,
so ist der Zivilpunkt außerdem anhängig zu machen und zu verfolgen.
Von der Organisation des Bundesgerichts bleibt es abhängig, ob
die Anklagen gegen die Minister gleich dort anzubringen und zu verhandeln
sind, oder ob nur Rekurs von den Entscheidungen des Oberappellations=
gerichts an das Bundesgericht Platz greifen wird.
* 116. Untersuchungen gegen Staatsdiener wegen Verfassungsver-=
letzungen oder Dienstverbrechen, welche auf die an den Fürsten gelangte
Anklage verfügt worden, können ohne Zustimmung der Volksvertretung
nicht niedergeschlagen und das Begnadigungsrecht kann ohne dieselbe
nie dahin ausgedehnt werden, daß ein durch gerichtliches Erkenntniß in
Entfernung vom Amte verurtheilter Staatsdiener in seiner bisherigen
Stelle gelassen oder anderweit im Staatsdienste wieder angestellt werde,
es wäre denn, daß in Rücksicht auf Wiederanstellung das richterliche Er-
kenntniß einen ausdrücklichen Vorbehalt zu Gunsten des Verurtheilten
enthielte.
§5 117. Wenn über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Ver-
fassungsurkunde Zweifel entsteht, und derselbe nicht durch Uebereinkunft
zwischen der Regierung und der Volksvertretung beseitigt werden kann,
so soll die Entscheidung des Bundesschiedsgerichts eingeholet werden.
118. Gegenwärtiges Verfassungsgesetz wird unter die Garantie
des deutschen Bundes gestellt.
1) Die Bestimmungen ver §§ 113, 114 und 115 werden dahin abgeändert, daß Mur
Untersuchung und Entscheidung einer förmlichen Anklage gegen ein verantwortliches it-
glied des Ministeriums in J. und in II. Instanz das Oberlandesgericht in Jena ausschließend
lompetent ist. Das erste Erkenntnis ist von dem Strafsenate, das zweite Erkenntnis ist von
dem Plenum des Oberlandesgerichts zu sprechen. Gesetz vom 12. September 1879.