414 Sachsen-Coburg und Gotha.
170. Die Anklage wird bei einem durch ein Gesetz zu bestellenden
Staatsgerichtshof erhoben und von diesem entschieden.
5 171. Bis dahin, wo durch Gesetz der Staatsgerichtshof bestellt
und das vor demselben stattfindende Verfahren bestimmt sein wird, ver-
tritt das Oberappellationsgericht zu Jena dessen Stelle. Dieser Gerichtshof
ist für den eintretenden Fall mit allen Rechten und Pflichten eines
Untersuchungsrichters bekleidet, untersucht die Sache nach den Grund-
sätzen und Regeln des accusatorischen Processes und ertheilt nach bei-
gebrachter oder versäumter Vertheidigung des Angeklagten das Erkenntniß.
Gegen dieses oberappellationsgerichtliche Erkenntniß kann nur das
Rechtsmittel der Revision beim Oberappellationsgericht und auch dieses
nur von dem Angeschuldigten und nur innerhalb dreißig Tagen, von der
Publication an, eingewendet werden. Dem Revidenten ist gestattet,
innerhalb sechs Wochen peremtorischer Frist, von der Einwendung des
Rechtsmittels an, eine Deduction zu den Acten zu bringen, welche dem
Ankläger zur Beantwortung binnen gleicher, vom Tage der Insinuation
zu berechnender sechswöchentlicher Frist mitzutheilen ist. Nach Eingang
der Schriften oder Versäumniß derselben durch Ablauf der Frist, ertheilt
das Oberappellationsgericht das zweite und letzte Erkenntniß, wofür ein
neuer Referent und Correferent ernannt, von jedem eine schriftliche
Relation, ohne daß der Eine die des Andern zu sehen bekommt, aus-
gearbeitet und sodann außerhalb der Session von jedem Mitgliede schriftlich
abgestimmt wird.
Das Oberappellationsgericht eröffnet die von ihm ertheilten Er-
kenntnisse mit den Gründen sowohl dem Angeklagten, als auch dem
anklagenden Landtage, beziehungsweise dem Ausschusse desselben und
sendet gleichzeitig beglaubigte Abschrift derselben an den Herzog ein.
Das Oberappellationsgericht veröffentlicht jedes Erkenntniß inner-
halb vier Wochen, von dessen Eröffnung an gerechnet, mit den Gründen,
auf Staatskosten durch den Druck.
172. Das Erkenntniß hat zunächst auszusprechen, ob der An-
geklagte gegen die Verfassung gehandelt hat, dann über Strafe und
Kosten zu entscheiden.
5ls 173. Betrifft die Anklage die Uebertretung einer Bestimmung,
deren Fassung unklar ist, und findet der Gerichtshof, daß die von dem
Angeklagten gemachte Auslegung zwar nicht die richtige gewesen, der
Angeklagte aber gute Gründe gehabt hat, sie dafür zu halten, so hat
der Gerichtshof zwar auszusprechen, daß der Angeklagte gegen die Ver-
fassung gehandelt habe, denselben jedoch von der Strafe und Kosten
freizusprechen.
S 174. In der im § 173 gedachten Weise ist auch zu erkennen, wenn
der Angeklagte noch nachweist, daß die der Anklage unterstellte Ver-
fügung auf die im § 171 erwähnte Beschwerde innerhalb der dort ge-
setzten einmonatlichen Frist zurückgenommen und durch diese Zurück-
nahme, beziehungsweise gleichzeitig erfolgende Entschädigung, die vorige
Sachlage wieder hergestellt worden ist.
Würde jedoch die auf die Beschwerde des betreffenden Landtags
oder Landtagsausschusses zurückgenommene verfassungsverletzende Ver-