Schaumburg-Lippe. 459
Privilegirte Gerichtsstände — unbeschadet jedoch des Rechts der
autonomischen Bestimmung des Gerichtsstandes für die Mitglieder des
Fürstlichen Hauses, sowie ferner des dem hohen Adel zustehenden höheren
Gerichtsstandes und des militairischen Gerichtsstandes — sollen künftig
nicht bestehen.
Das Hofmarschallamt wird durch die vorstehenden Bestimmungen
nicht berührt.
Die Polizeistrafgerichtsbarkeit soll in der Regel von den Gerichten
unterer Instanz geübt werden.
Art. 70. Der Grund und Boden soll von allen aus dem gutsherr-
lichen Verbande entspringenden oder sonstigen darauf haftenden privat-
rechtlichen Abgaben und Leistungen gegen Entschädigung der Berechtigten
befreit werden, und soll damit aller Gutsunterthänigkeitsverband auf-
gehoben sein.
Das Nähere bestimmt das Gesetz.
Art. 71. Auch das Erbpachtverhältniß soll gegen gerechte, durch
Gesetz zu bestimmende Entschädigung aufgehoben und in volles Eigen-
thum verwandelt werden.
Art. 72. Die Gesetzgebung des Landes soll von dem Grundsatze
ausgehen, daß in der Regel jeder Grundeigenthümer nach erfolgter
Ablösung aller auf seinem Grundeigenthum haftenden privatrechtlichen
Lasten befugt sein soll, über dasselbe frei unter Lebenden, sowie auf den
Todesfall zu verfügen.
Ausgeschlossen soll jedoch nicht sein die gesetzliche Feststellung einer
die vollständige Zersplitterung des bis dahin geschlossenen Grundbesitzes
hindernden Schranke.
Art. 73. Alle auf fremdem Grund und Boden haftenden Weide-,
Hute= und Mastservituten sollen gegen durch Gesetz zu bestimmende Ent-
schädigung abgefunden, auch die Separation der Gemeinheiten und die
Zusammenlegung der Grundstücke durch Gesetz geregelt werden.
Art. 74. Das Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden soll
gegen angemessene Entschädigung der bisher Berechtigten ablösbar werden.
ie Bedingungen der Ablösung und die Vorschriften über die Ausübung
der Jagd, sowie besondere Bestimmungen über Waldenclaven bleiben der
Gesetzgebung vorbehalten.
Art. 75. Die Durchführung der vorstehend verzeichneten Grund-
sätze in der Gesetzgebung des Landes soll nach Möglichkeit beschleunigt,
namentlich sollen dem im Jahre 1869 zu berufenden ordentlichen Land-
tage die Gemeinde-Ordnungen, ein Jagd-Gesetz, ein Grundentlastungs-
"besett, sowie ein Gesetz über die Vererbung und die Veräußerung des
bisher bäuerlichen Grundbesitzes vorgelegt werden. #
Art. 76. Abänderungen, Ergänzungen oder authentische Erläute-
rungen gegenwärtiger Verfassung bedürfen außer der Genehmigung des
Landesherrn eines zweimaligen, durch einen Zwischenraum von mindestens
Tagen getrennten, Beschlusses des Landtages, welchem jedesmal zwei
Drittel der in beschlußfähiger Anzahl anwesenden Mitglieder zugestimmt
baben müssen.