Württemberg. 509
5 63. Die Aufnahme der Gemeindebürger und Beisitzer hängt von
der Gemeinde ab, unter Vorbehalt der gesetzmäßigen Entscheidung der
Staats-Behörden in streitigen Fällen. Indessen setzt die Ertheilung des
Bürger= und Beisitzrechtes die vorgängige Erwerbung des Staatsbürger-
rechtes voraus.
64. Sämtliche zu einem Oberamte gehörige Gemeinden bilden
die Amtskörperschaft. Veränderung der Oberamts-Bezirke ist Gegen-
stand der Gesetzgebung.
8 65. Die Rechte der Gemeinden werden durch die Gemeinde-
Räthe unter gesetzmäßiger Mitwirkung der Bürger-Ausschüsse, die Rechte
der Amtskörperschaften durch die Amts-Versammlungen verwaltet, nach
Vorschrift der Gesetze und unter der Aufsicht der Staats-Behörden.
§* 66. Keine Staats-Behörde ist befugt, über das Eigenthum der
Gemeinden und Amtskörperschaften mit Umgehung oder Hintansetzung
der Vorsteher zu verfügen.
§* 67. Weder die Amtskörperschaften, noch einzelne Gemeinden
sollen mit Leistungen und Ausgaben beschwert werden, wozu sie nicht
vermöge der allgemeinen Gesetze, oder kraft der Lagerbücher oder anderer
besondern Rechts-Titel, verbunden sind.
8 68. Was nicht auf örtliche Bedürfnisse der Gemeinden oder Amts-
körperschaften, sondern zu Erfüllung allgemeiner Landes-Verbindlich-
keiten zu verwenden ist, kann nur auf das gesamte Land vertheilt werden.
8 69. Sämtliche Vorsteher der Gemeinden und Amtskörperschaften
sind eben so, wie die Staatsdiener, auf Festhaltung der Verfassung, und
insbesondere auch auf Wahrung der dadurch begründeten Rechte der
Gemeinden und Körperschaften zu verpflichten.
VI. Kapitel.
Von dem Verhältnisse der Kirchen zum Staate.
5 70. Jeder der drei im Königreiche bestehenden christlichen Con-
fessionen wird freie öffentliche Religions-Aebung, und der volle Genuß
ihrer Kirchen-, Schul= und Armenfonds zugesichert.
5 71. Die Anordnungen in Betreff der innern kirchlichen An-
gelegenheiten bleiben der verfassungsmäßigen Autonomie einer jeden
Kirche überlassen. *
§5 721). Dem Könige gebührt das oberhoheitliche Schutz= und Auf-
sichtsrecht über die Kirchen. * #
Die von dem Erzbischof, dem Bischof und den übrigen kirchlichen
Behörden ausgehenden allgemeinen Anordnungen und Kreisschreiben an
die Geistlichkeit und Diözesanen, wodurch dieselben zu etwas verbunden
werden sollen, was nicht ganz in dem eigenthümlichen Wirkungskreise
der Kirche liegt, sowie auch sonstige Erlasse, welche in staatliche oder
bürgerliche Verhältnisse eingreifen, unterliegen der Genehmigung des
Staates. Solche allgemeine kirchliche Anordnungen und veffentliche Er-
1) § 72 Abs. 2 und 3 an Stelle des früheren Satz 2 erlassen durch Gesetz vom
30. Januar 1862.