512 Württemberg.
*1902. Die Gerichtsbarkeit wird im Namen des Königs und unter
dessen Oberaufsicht durch collegialisch gebildete Gerichte in gesetzlicher
Instanzen-Ordnung verwaltet.
* 93. Die Gerichte, sowohl die bürgerlichen als die peinlichen, sind
innerhalb der Grenzen ihres Berufes unabhängig.
94. Der königliche Fiskus wird in allen Privatrechtsstreitigkeiten
bei den ordentlichen Gerichten Recht geben und nehmen.
8 95. Keinem Bürger, der sich durch einen Akt der Staatsgewalt
in seinem auf einem besondern Titel beruhenden Privatrechte verletzt
glaubt, kann der Weg zum Richter verschlossen werden.
96. Die Erkenntnisse der Criminalgerichte bedürfen, um in Rechts-
kraft überzugehen, keiner Bestätigung des Regenten.
5 97. Dagegen steht dem Könige zu, Straf-Erkenntnisse vermöge
des Begnadigungs-Rechtes auf erforderten und erstatteten Bericht des
erkennenden Gerichts aufzuheben oder zu mildern. Es sind daher die
Criminal-Gerichte nicht nur verbunden, in schweren Fällen die Akten
samt ihrem Erkenntnisse vor der Eröffnung desselben durch das Königl.
Justiz-Ministerium dem Könige zum Behuf einer etwaigen Begnadigung
vorzulegen; sondern es kann auch nach Eröffnung des Erkenntnisses der
Verurtheilte sich an die Gnade des Königs wenden.
Auf gleiche Weise kann auch, wenn nach dem Gutachten des Königl.
Justiz-Ministeriums hinlängliche Gründe dazu vorhanden sind, vermöge
des dem Könige zustehenden Abolitions-Rechts, noch ehe das Verbrechen
oder Vergehen untersucht, oder über die Bestrafung erkannt worden
ist, alles Verfahren gegen den Beschuldigten eingestellt und nieder-
geschlagen werden.
Der König wird jedoch bei Ausübung sowohl des einen, als des
andern Rechtes darauf Rücksicht nehmen, daß dem Ansehen und der
Wirksamkeit der Straf-Gesetze dadurch nicht zu nahe getreten werde.
5 98. Die Strafe der Vermögens-Confiskation ist allgemein auf-
gehoben.
99. Was die Militär-Verfassung betrifft, so wird die Zahl der
zu Ergänzung des Königlichen Militärs jährlich erforderlichen Mann-
schaft mit den Ständen verabschiedet.
5* 100. Die Auswahl-Ordnung, die nähere Bezeichnung der übrigen
Landes-Vertheidigungs-Anstalten und der Verbindlichkeit der Staats-
bürger, sich außerhalb des regulären Militärs zu dem Waffendienste
tüchtig zu machen, die bürgerlichen Verhältnisse der unter dem Militär
befindlichen Staats-Angehörigen, die militärischen Straf-Gesetze, wie
auch die Bestimmung der Fälle, in welchen das Königl. Militär ausnahms-
weise bei den Bürgern einquartirt werden kann, sind Gegenstände der
Gesetzgebung und Gesetz-Revision.
* 101. Für die Unterstützung der Militär-Personen, welche im
Dienste des Vaterlandes ihre Kräfte aufgeopfert haben, so wie ihrer
Hinterbliebenen, ist durch ein Gesetz gesorgt.