40 Das deulsche Reich und seine einselnen Glieder. (Jan. 15.)
Die Motive zum preußischen Antrag auf eine höhere Tabakbesteuerung
entwickeln in Betreff des indirekten Stenersystems für das Neich fol-
ende allgemeinere Gesichtspunkte: „Die Verfassung hat in Art. 70 den Matri-
lularmmingen einen subsidiarischen und provisorischen Charalkter beigelegt,
indem sie bestimmt, daß die Ausgaben des Reiches, insoweit sie durch die
eigenen Einnahmen nicht gedeckt werden und solange Reichssteuern nicht ein-
geführt sind, durch Beilräge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer
Bevölkerung aufsgebracht werden sollen. Die Vertheilung der Matrikular=
beiträge nach der Kopfzahl der Bevölkerung, ohne Rücksicht auf die Steuer-
kraft, hat zu Beschwerden geführt, die nicht grundlos erschienen. Eine plötz-
liche und voraussichtlich andauernde Erhöhung der Matrikularumlagen in
dem bezeichneten Maßze würde für die Verwallung der Landes finanzen Schwie-
rigkeiten mit sich führen, welche wahrscheinlich in keinem Bundesstaat ohne
stärkere Anspannung der Steuerkraft zu überwinden sein würden. Besteht
aber einmal die Nothwendigkeit neuer Steuerauflagen, so läßt es schon der
erwähnte Art. 70 der Verfassuung als eine Aufgabe des Reiches erkennen,
für seinen Mehrbedarf die Deckung nicht in einer Erhöhung der Matrikular-
umlagen, sondern in einer rationellen Vermehrung seiner eigenen Einnahmen
zu suchen, und dadurch die Beiträge der Einzelstaaken, wenn nicht ganz zu
beseitigen, so doch khunlichst auf einer gleichmäßigen, die Landesfinanzen nicht
unverhältnißmäßig belastenden Poe zu halten. Von entscheidendem Gewicht
ist die Rücksicht darauf, daß die Einzelstaaten zur Deckung erhöhter Matri-
kularbeiträge vorzugsweise auf direkte Steuern angewiesen sind. Nach den
Bestimmungen der Reichsverfassung sieht den Einzelstaaten, abgesehen von
der besonderen Stellung, welche Bayern, Mürtlemberg und Baden hinsichtlich
der Besteuerung von Branntwein und 1 einnehmen, das Recht zur Er-
höhung von Verbrauchssteuern nur in sehr beschränktem Maße zu. Eine
Benützung dieses Rechts zur Eröffnung neuer Einnahmequellen für die Lan-
desregierungen würde ohne Errichtung neuer Deichränkungen. des inneren
Verkehrs nicht durchführbar sein. Nur das Reich ist in der Lage auf dem
Gebiete der Verbrauchsstenern, auf welchem eine stärkere Anspannung der
Stenerkraft am leichtesten ertragen werden kann, reichere Einnahmequellen in
umfassender Weise zu schaffen. Daß das Reich hiezu schreite, ist eine, auch
abgesehen von den Bedürfnissen der jetzigen finan siellen Lage, gerechtfertigte
Forderung einer gesunden Besteuerungspolitik. Die seitherige Entwicklung
des Steuersystems in Deutschland, welche die Slaaten und die communalen
Corporationen und Verbände vorzugsweise auf die Vermögens= und Ein-
kommensteuern anweist, bereitet nicht nur den Landesregierungen Schwierig-
keiten gegenüber den steigenden Anforderungen an die finanzielle Kraft der
Staaten, sondern sie hat auch namentlich dazu geführt, daß die communale
Selbstverwaltung, um den ihr durch höhere Interessen gestellten Aufgaben
zu genügen, die direkte Besteuerung auf eine Höhe zu steigern genöthigt ist,
welche dieselbe sehr beschwerlich macht und auf die Fortentwicklung der
Staatssteuern nachtheilig zurückwirkt. Gegenüber dieser von Jahr zu Jahr
schwieriger werdenden Lage erscheint es geboten, die Aufgabe der Finanz=
politik des Reiches dahin zu stellen, daß durch Vermehrung der eigenen Ein-
nahmen desfelben aus den ihm zur Verfügung stehenden Verbrauchssteuern
nicht nur sein gegenwärtiger Mehrbedarf gedeckt, sondern auch eine Entwick-
lung eingeleitet werde, welche eine Enklastung der Budgets der Einzelstaaten
auf die Dauer herbeiführt, so daß es den lehteren dadurch ermöglicht wird,
drückende Stenern zu beseitigen, bepv. zu ermäßigen, oder, wenn sie dieß für
angegeigt halten, einzelne dazu geeignete Steuern den Provinzen, Kreisen oder
Gemeinden ganz oder theilweise zu überlassen.
Der Gesetzentwurf selbst bez. Erhöhung der Tabaksteuer nimmt die