Geschäftsordnungen. 693
8 70. Die Abstimmung erfolgt mittels Namensaufrufs in allen
wichtigeren Fällen, insbesondere über Gesetzesentwürfe und Staats-
verträge im ganzen. Es ist übrigens jedem Mitglied gestattet, auch in
anderen Fällen namentliche Abstimmung zu verlangen.
Der Namensaufruf bestimmt sich nach der Reihenfolge in §+ 129
der Verfassungsurkunde. Die Prinzen des Königlichen Hauses und
ebenso die auf sie folgenden Standesherren werden unter sich nach ihrem
sonst bestehenden Rang aufgerufen, sodann die auf Lebenszeit ernannten
Mitglieder nach der Reihenfolge ihrer Ernennung. Für die ritterschaft-
lichen Mitglieder ist das Lebensalter maßgebend, während zwischen
den beiden evangelischen Prälaten das Dienstalter, zwischen den beiden
5 der Landwirtschaft je die Reihenfolge der Ernennung ent-
scheidet.
5 71. In minder wichtigen Fällen geschieht die Abstimmung durch
Aufstehen und Sitzenbleiben. Das Ergebnis stellt der Präsident nach
Rücksprache mit den Schriftführern fest; bleibt auch nach vorgenommener
Gegenprobe ein Zweifel, so wird zum Namensaufruf geschritten.
Hat sich aber gegen einen Vorschlag des Präsidenten oder gegen
einen von ihm vorgelegten Antrag auf dessen Anfrage, ob die Kammer
damit einverstanden sei, oder hat sich gegen den von ihm aufgerufenen
einzelnen Teil (Artikel, Paragraphen u. s. w.) einer Vorlage kein Wider-
spruch erhoben, so werden dieselben als von der Kammer genehmigt
angenommen.
6 72. Die Abstimmung geschieht bei namentlichem Aufruf durch
Bejahung oder Verneinung ohne bedingende Zusätze. Keinem an-
wesenden Mitglied ist gestattet, sich der Abstimmung zu enthalten, es
sei denn, daß die Enthaltung dadurch veranlaßt ist, daß der Gegenstand
der Geschlußfassung dessen besondere persönliche Rechte oder Interessen
betrifft.
Wer auf nochmalige Aufforderung nicht unbedingt mit Ja oder
Nein abstimmt oder wer im Saal anwesend ohne die in Abs. 1 Satz 2
bezeichnete Veranlassung die Abstimmung verweigert, wird als gegen den
Antrag stimmend angesehen. Besteht Zweifel darüber, ob das Mitglied
die Enthaltung von der Abstimmung mit Rücksicht auf besondere persön-
liche Beteiligung erklärt hat, so ermittelt der Präsident durch öffent-
liche Frage an das Mitglied dessen Willensmeinung. ·
Eine unter falschen Voraussetzungen oder infolge eines Miß-
verständnisses abgegebene Stimme, sowie außer dem Fall des Abs. 2
Satz 2 die erklärte Enthaltung von der Abstimmung darf nicht zurück-
genommen werden. Ein bloßes Sich-Versprechen darf bis zum Schluß
der Abstimmung richtiggestellt werden.
§ 73. Bei allen namentlichen Abstimmungen sind, wenn sich nicht
Einstimmigkeit ergeben hat, die bejahenden und die verneinenden Stimmen
mit Namen im Protokoll zu vermerken.
8 74. Jedem Mitglied ist gestattet, bei seiner Abstimmung die
Gründe derselben durch eine kurze mündliche oder von ihm zu verlesende
schriftliche Erklärung darzulegen.