Full text: Königlich-Baierisches Regierungsblatt. 1806. (1)

eine edle Art, populaͤr und kindlich 
in seinem Vortrage zu seyn. So lehrte 
Christus, das hoͤchste Vorbild, und das un- 
übertreffliche Muster aller Jugend-Lehrer. 
§. To. 
Gedächtniß-Religion steht gewöhn- 
lich mit Herzens-Religion im umge- 
kehrten Verhältnisse, je mehr von jener, 
um so weniger von dieser. Wer die Kin- 
der zum Auswendiglernen der allbeseligenden 
Religions-Wahrheiten zwingt, handelt nicht 
vernünftiger und nicht klüger (wie der Ver- 
fasser von Lienhard und Gertrud 
sagt), als der Bauer, der sein Vieh an 
Hals und Füssen an die Krippe fesseln wür- 
de, damit es sein Futter fresse, das ihm 
vor dem Maule liegt; und wer dadurch Re- 
ligion beym Volke zu begründen wähnt, irrt 
eben so sehr, als der Gutbesstzer, der, um 
seine Aecker und Wiesen nicht zu verlieren, 
eine Gränzbeschreibung davon auswendig 
lernt, anstatt durch eigene Krafe-Anstren- 
gung und fremde Bephülfe sie nützlich zu 
bebauen. 
8. u## 
Unterrichts-Vortheile bey der Re- 
ligions-Lehre sind: 
a) daß der Lehrer das in den Kindern 
schlummernde Gefühl von Recht und 
Unrecht, Guten und Bösen niche durch 
langweiliges Moralisiren, oder gar 
durch Drohungs= und Straf-Predig- 
ten, sondern mittelst praktischer, aus 
ihrem kleinen Erfahrungs Kreise her- 
geholter Fragen, Erzhlungen 
und Gleichnisse zu erwecken suche. 
b) Daß die Kinder durch eigenes 
Nachdenken mit dem mannigfaltigen 
Guten bekannt gemacht, das sie in ih- 
rer Eltern Hause genießen, und durch 
Erkenntniß ihrer vielfachen Bedürfnisse 
dahin gebracht werden, Dankbarkeit 
als eine der ersten Kinder-Pflichten 
anzuerkennen. Auch werden sie nur 
auf diese Weise herzlich bethen 
lernen. 
c) Durch Auszéhlung sittlich böser 
Handlungen, derer mehrere von den 
Schülern genannt werden sollen, er- 
fährt der Lehrer, wie weit sich die Be- 
griffe und die Erfahrungen derselben 
in diesem Punkte erstrecken, was ssie 
für Unrecht halten, warum, wie sehr, 
u. s. w. Daben gewinnt er weiten 
Spielraum ihre Urctheile über bös 
und gut zu berichtigen. 
d) Das Sittlichgute um so liebens- 
würdiger zu machen, zeige der beh- 
rer bey jedem das ihm entgegengesetzte 
Sittlichbose. 
ec) Die Pflichten-Lehre kleide er in 
bildlichen leichtfaßlichen Vortrag, in 
Erzählungen, Gleichnißreden (Para= 
beln) u. dgl.; und jede wichtige Pflicht 
befestige er mit einem schönen Verse 
oder mit einem treffenden Sittenspruche 
im Gedachtnisse seiner Schüler. 
lÜ Die Glaubens -behre behandle er, 
im Geiste Jesu, einfach und mit Wür-
	        
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