Full text: Königlich-Baierisches Regierungsblatt. 1811. (6)

Koͤniglich-Baierisches 6 
Negierungsblaut. 
  
I. Stück. München, Samstag den S. Jämnner rg#r 
  
Allgemeine Verordnung. 
  
(Die Aufhebung der sogenannten Siz= oder 
Muthjahre bei den Handwerks-Zünften be- 
treffend.) 
Wir Maximilian Joseph, 
von Gottes Gnaden König von Baiern. 
Nac der Uns gemachten Anzeige sind bei 
einigen Zuͤnften in verschiedenen Gegenden 
Unsers Reiches noch sogenannte Siz= oder 
Muthsahre hergebracht, welche denjenigen, 
der Meister werden will, verbinden, eine ge- 
wisse in den Artikeln bestimmte Zeic hin- 
durch, an dem Orte wo er sich zu sezen 
entschlossen ist, in einer ihm von den Hand- 
werks-Vorstehern angewiesenen Werkstatt als 
Geselle zu arbeiten. 
In der Erwägung, daß dieses Herkom- 
men, welches schon durch die ehemaligen 
Reichs geseze aufgehoben ist, nur noch in 
den wenigsken Theilen Unserer Monarchie 
besteher, und auch da sich größtentheils 
bloß in ein Geld-Surrogat verwandelt har; 
in der Erwägung, daß der urfprüngliche 
Zweck desselben, nämlich ndhere Kenntniß 
der Würdigkeit des angehenden Meisters, 
Erschwerung des Eintrins der Fremden, 
Verschaffung mehrerer Gesellen für Mei- 
sters- Wittwen, und Bekanntwerdung des 
neuen Meistens mit den Lokal-Verhaͤltnissen 
seines künftigen Wohnotts, durch die ein- 
geführre Meistersprobe, die sorgfältige Prü- 
sung der persönlichen Verhälenisse des auf- 
zunehmenden Meisters, und durch die all 
gemeine Gewerbsfreiheir hinreichend gesicherr; 
in so ferne aber Inlduder aus andern Or- 
ten dadurch abgehalten werden sollen, als 
ein der Gewerbs-Konkurrenz nachtheiliger 
Zwang, ohnehin unzuläßig ist; verordnen 
Wir hiemit: Daß die vorbenannten Siz- 
oder Muthjsahre, sowohl in der Natural= 
als in der Geldleistung im ganzen Reiche 
abgeschaffe, mithin keiner, der übrtgens zum 
Meisterrechte qualißizirt ist, ohne Unrerschied, 
ob er ein Meisterr-Sohn, oder aus andern 
Orten gebürtig, ob er eine Meisters-Witewe 
oder Meisters-Tochter heurather oder nicht, 
mehr verbunden seyn solle, an dem Orte, 
wo er sich als neuer Meister niederkassen 
will, vorher als Geselle, oder als Jemuthe= 
ter Meister eine bestimmte Zeit hindurch zu 
arbeiren, oder dafür etwas am Gelde zu 
entrichten. 
München den a0. Dezember 1810. 
Max Joseph. 
Graf von Montgelas. 
Auf koniglichen allerbochsten 
der General-S. 
*. Kobe 
½)