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Ansicht, dass die Aufzählung erschöpfend sei, zugewandt wie das
Oberverwaltungsgericht der letzteren, dass es sich bloss um eine
Exemplification handle®).
Diese Rechtsauffassung des Kammergerichtes erscheint jedoch
als eine buchstäbliche Wortinterpretation nicht nur wissenschaft-
lich verfehlt, sie wird auch in keiner Hinsicht den alltäglichen
Anforderungen des praktischen Lebens gerecht.
Zunächst spricht gegen die Ansicht des Kammergerichtes
die Enntstehungsgeschichte des Gesetzes. Von allen Seiten’) wurde
damals hervorgehoben, dass die Aufzählung nur die Bedeutung
einer Exemplification haben solle, um den Behörden eine Anlei-
tung zu geben. Gerade mit Rücksicht hierauf fügte man am
Schlusse unter i eine allgemeine Olausel hinzu, um anzudeuten,
dass die Polizeibehörde nicht auf die angeführten Materien be-
schränkt sei.
Das Erforderniss eines besonderen Interesses des Bezirkes
oder seiner Angehörigen an der polizeilichen Normirung schränkt
diese allgemeine Clausel nicht wieder auf ein engeres Gebiet ein,
sondern enthält nur die selbstverständliche Voraussetzung für den
Erlass jeder Polizeiverordnung. Mit demselben Rechte wie unter
i hätte der Gesetzgeber unter a—h das besondere Interesse des
Bezirkes als nothwendige Vorbedingung erwähnen können.
Keineswegs kann aus der Hervorhebung desselben unter ı
geschlossen werden, der Nachweis, dass ein solches Interesse vor-
liege, bedinge die rechtliche Giltigkeit der Polizeiverordnung, und
das Vorhandensein desselben unterliege demgemäss der richter-
lichen Prüfung. Das Polizeiverwaltungsgesetz & 17 beschränkt
den Richter auf die Prüfung der Gesetzmässigkeit der Verordnung,
schliesst aber eine solche der Nothwendigkeit der Zweckmässigkeit
ausdrücklich aus. Die Prüfung, ob das Interesse eines Bezirkes
den Erlass der Verordnung erfordere, würde aber nichts anderes
sein, als die Prüfung der Nothwendigkeit oder Zweckmässigkeit
*) Vgl. Entsch. des O.-V.-G. vom 6. Juni 1885 — a. a. O. 1885, 8. 396 —,
denselben Fall behandelnd wie die zuletzt erwähnte Entsch. des Kammer-
gerichts.
5) Vgl. besonders Sten. Ber. der 1. Kamm. 1850, S. 2330 ff.
Archiv für öffentliches Recht. V. 3. 97