Oesterreich-Angarn. 323
4. Nov. (Oesterreich: Böhmen.) Landtag: nimmt das kais. Reseript
vom 30. Oct. mit affectirter Gleichgiltigkeit entgegen und beschließt
aus Trotz, dasselbe einer Commission zu überweisen und erst am 8. d.
zur Behandlung desselben wieder zusammenzutreten, obgleich die darauf
zu beschließende Resolution vom czechischen Club schon am Tage vor-
her festgestellt und angenommen worden ist.
Reseript vom 30. October: „An den Landtag Unseres Königreiches
Böhmen! Mit Unserem Rescript vom 12. Sept. d. J. haben Wir den Land-
tag Unseres Königreiches Böhmen aufgefordert, im Geiste der Mäßigung und
Versöhnung die zeitgemäße Ordnung der staatsrechtlichen Verhältnisse Unseres
Königreiches Böhmen zu berathen; mit der allerunterthänigsten Adresse vom
10. d. M. hat der Landtag Uns das Resultat seiner Berathung vorgelegt
und Wir verkennen nicht das Bemühen, von seinem Standpunkte aus diesen
unseren Wünschen nachzukommen. Wir müssen jedoch nachdrücklich hervor-
heben, daß die über die Behandlung der gemeinsamen Angelegenheiten und
das Verhältniß der beiden Theile der Gesammtmonarchie zu einander durch
die Vereinbarung der legislativen Körper dieser Theile, den Reichsrath und
den ungarischen Reichstag, geschaffenen, mit Unserer Sanction versehenen Ge-
setze in volle Rechtskraft für die ganze Monarchie erwachsen sind und nur auf
dem durch dieses Uebereinkommen bezeichneten Wege geändert, oder, insoferne
die Bestimmungen dieses Uebereinkommens auf bestimmte Zeit geschlossen
worden sind, erneuert werden können. Nachdem ferner die staatsrechtlichen
Verhältnisse Unserer nicht ungarischen Königreiche und Länder durch die von
uns erlassenen Staatsgrundgesetze ihre Regelung gefunden haben, so kann eine
Aenderung derselben nur mit Zustimmung der beiden Häuser des Reichsraths
erfolgen. Wir fordern nunmehr den Landtag auf, durch Entsendung seiner
Vertreter in den Reichsrath zu dem großen Werke der Versöhnung mitzuwirken
und bereitwillig den Beweis zu geben brüderlicher Gesinnung für alle Völker
des Reiches, achtungsvoller Berücksichtigung jeglichen Rechtsanspruches und
patriotischer Würdigung der unabweislichen Bedürfnisse Unserer Monarchie.
Wir erwarten um so zuversichtlicher, daß derselbe Unserer Aufforderung nach-
kommen werde, als schwere Verantwortung vor dem Reiche und vor ihren
Mitbürgern dereinst diejenigen treffen müßte, die durch ihr Fernbleiben das
Werk allgemeiner Versöhnung vereiteln würden, das eben nur durch das Zu-
sammenwirken Aller zu segensvollem, die Gewähr der Dauer in sich tragen-
dem Abschlusse gelangen kann. Hiemit entbieten Wir dem Landtage Unseren
kaiserlichen und königlichen Gruß 2c.“
„ Der Reichskanzler Beußt gibt zu allgemeiner Ueberraschung seine
Entlassung, angeblich wegen „geschwächter Gesundheit“. Daß er dazu
von maßgebender Seite geradezu aufgefordert wurde, steht fest; die
Motive dafür sind indeß bis jetzt in irgend authentischer Weise nicht
bekannt geworden. Offenbar ist sein jäher Sturz eine Art Sühn-
opfer für die Niederlage der feudalen Plane in der böhmischen Frage.
„ (Oesterreich: Böhmen.) Landtag: die Commission (Bericht-
erstatter Fürst Karl Schwarzenberg) trägt darauf an, das keiserliche
Rescript durch eine Resolution zu beantworten und die Wahlen in den
Reichsrath zu verweigern. Beide Anträge werden einstimmig angenommen.
Schluß des Landtags.
Resolution des böhmischen Landtags: „Eingedenk dessen, daß
die von altersher überkommene, durch Krönungseide bekräftigte staatsrechtliche
Stellung des Königreiches Böhmen mit dem allerhöchsten Rescripte vom 12.
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