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Anterweisung
für
Vormünder im Großherzogthume.
8. 1.
Die Pflichten eines Vormundes bestehen in der väterlichen Fürsorge für das
körperliche und geistige Wohl des Mündels und in der treuen, uneigennügzigen, vor-
sichtigen Verwaltung seines Vermögens.
Wenn die Eltern in der einen oder andern Beziehung Anordnungen getroffen
haben, so sind diese, so weit nicht Bedenken entgegen stehen, vom Vormund zu be-
rücksichtigen.
Der Vormund steht im Allgemeinen unter der Aufsicht des Vormundschafts-
gerichts, welches ihn zur Erfüllung seiner Pflichten nach Befinden durch Ordnungs-
strafen bis einhundert Thaler anhalten, auch sonst veranstalten kann, was es im
Interesse des Mündels für nöthig erachtet. Gegen die Verfügungen des Vor-
mundschaftsgerichts findet Berufung an das diesem vorgesetzte Kreisgericht statt.
Hinsichtlich der Fürsorge des Vormundes für das körperliche und geistige
Wohl der Pflegebefohlenen im Besonderen aber wird die nächste Aufsicht — unter
Oberaufsicht des Vormundschaftsgerichts — von dem Gemeindevorstand geführt,
welcher befugt ist, dieserhalb Ordnungsstrafen bis zu fünf Thaler dem Vormund
anzudrohen und über ihn zu verhängen.
g. 2.
Sind für eine Vormuntschaft mehre Vormünder bestellt, so haben sie ge-
meinschaftlich zu handeln: der einzelne Vormund aler muß, wenn er die Beschlüsse
der übrigen Vormünder nicht billigt, ungesäumt dagegen Widerspruch erheben, auch
wenn er nicht für die Handlung derselben haften will, diesen Widerspruch dem
Vormundschaftsgericht zeitig anzeigen.
Eine Theilung der Geschäfte unter den einzelnen Vormündern kann nur mit
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts stattfinden. Aber auch bei solcher Theilung
soll der einzelne Vormund auf jeden Mitvormund Acht haben und, wenn er in
Erfahrung bringt, daß derselbe etwas versieht, bei Vermeidung eigner Verantwor-
tung zeitig davon bei dem Vormundschaftsgericht Anzeige machen.
Wer bloß als Ehrenvormund bestellt wird, ist nur zur Aufsicht über den
eigentlichen Vormund verflichtet.