174 Gewerbesteuer.
Hypotheken, Wechsel, Aktien, Leibrenten oder öffentliche Fonds austhun, mit Aus-
nahme Derer, welche ein Gewerbe daraus machen, Wechsel oder andere Papiere zu
diskontiren, Geldsorten und Papiere auf Inhaber umzusetzen, oder auf Pfänder zu
leihen; befreit waren Diejenigen, welche sich zu Privatdiensten und häuslichen oder
wirthschaftlichen Arbeiten vermiethen, mit Ausnahme der Rentmeister, Stallmeister,
Sekretäre, Erzieher, Haushofmeister 2c.; die Aufseher, Gehülfen und Arbeiter in
Fabriken und Handlungen mit Ausnahme der Prokuristen; gemeine Tagelöhner, mit
Ausnahme Derer, welche mit einer besonders erlernten Kunst oder Handwerk, z. B.
als Ziegelstreicher, Dachdecker, für Tagelohn dienen; Personen, welche sich blos von
Spinnen, Wollkämmen und Sortiren 2c. nähren; befreit waren Diejenigen, welche
nur einen einzigen Webstuhl für ihre Rechnung betreiben, sofern dieser nicht für
eigentliches Tuch, künstliche Weberei von Blumen u. dgl. hergerichtet ist; endlich
Hebammen auf dem Lande und in Städten unter 1000 Einwohnern. — Die Ver-
anlagung war lediglich Sache der Regierungen, vor denen auch die angebrachten
Beschwerden erledigt wurden. Maßgebend war dafür ein Tarif, der die sämmtlichen
Gewerbtreibenden nach äußeren Kriterien in sechs Klassen eintheilte und die jährliche
G. der ersten Klasse zu 1—1/ Thlr., der zweiten zu 2—32/ Thlr., der dritten
zu 4—6 „8 Thlr., der vierten zu 8—20 Thlr., der fünften zu 24—84 Thlr., der
sechsten zu 96—200 Thlr. festsetzte.
Das Gesetz vom 20. Mai 1820 über die Einrichtung des Abgabenwesens hob
§ 9 sub C. a die durch das Edikt von 1810 eingeführte allgemeine G. wieder auf
und bestimmte im § 1 sub Lit. d, daß statt derselben eine anderweitige G. nach
Maßgabe des gleichzeitig darüber erlassenen Gesetzes erhoben werden solle. Das da-
malige Gesetz wegen Entrichtung der G. vom 30. Mai 1820 bildet noch gegenwärtig
die gesetzliche Grundlage für diese Steuer, ist indessen in einzelnen Punkten durch
spätere Gesetze, insbesondere durch das Gesetz vom 19. Juli 1861 betr. einige Ab-
änderungen des Gesetzes wegen Entrichtung der G. vom 30. Mai 1820 modifizirt.
Das Gesetz von 1820 hob nicht nur die Lösung der Gewerbescheine für alle stehenden
Gewerbe gänzlich auf, sondern bestimmte auch die Gewerbesteuerpflichtigkeit in einer
prinzipiell verschiedenen Weise. Denn während bis dahin der Grundsatz gegolten
hatte, daß jedes Gewerbe der Steuerpflicht unterliege, insofern es nicht besonders be-
freit sei, so fand jetzt der entgegengesetzte Grundsatz Anwendung, wonach jedes Ge-
werbe als steuerfrei betrachtet wird, sofern dasselbe nicht ausdrücklich für steuerpflichtig
erklärt ist. Gewerbesteuerpflichtig sind danach nur der Handel, die Gastwirthschaft,
das Verfertigen von Waaren auf den Kauf, der Betrieb von Handwerken mit
mehreren Gehülfen, der Betrieb von Mühlenwerken, das Gewerbe der Schiffer, der
Fracht= und Lohnfuhrleute, der Pferdeverleiher, endlich diejenigen Gewerbe, die von
umherziehenden Personen betrieben werden. — Auch hinsichtlich der Veranlagung
weicht die neuere Gesetzgebung seit 1820 von der früheren durchaus ab. Zunächst sind
sämmtliche Ortschaften nach Maßgabe der Wohlhabenheit und Gewerbsamkeit in vier
Abtheilungen klassifizirt, von denen die erste nur einige wenige, die zweite eine große
Anzahl namentlich aufgeführter Städte, die dritte in der Regel alle diejenigen Städte
enthält, welche 1500 oder mehr Civileinwohner haben, während in die vierte Ab-
theilung alle übrigen Städte und die Ortschaften des platten Landes gehören. Die
weitere Vertheilung der Steuer innerhalb dieser Abtheilungen erfolgt in der Regel
nach dem System gesetzlich fixirter Mittelsätze und niedrigster Sätze für jedes der
steuerpflichtigen Gewerbe, namentlich für den Handel, für die Gastwirthschaft und
für die Handwerke; dieser Mittelsatz ist von der Gesammtheit Derjenigen durchschnittlich
aufzubringen, welche innerhalb eines örtlichen bestimmten Bezirks das besteuerte Ge-
werbe treiben; derselbe wird also mit der Gesammtzahl der Gewerbesteuerpflichtigen
der Stadt, resp. des Kreises, multiplizirt, das Ergebniß ist die Summe, welche die
Stadt oder der Kreis im Ganzen an G. aufbringen müssen; da indeß der Umfang,
worin jeder Einzelne das Gewerbe betreibt, sehr verschieden sein kann, so ist von