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Bundesstaaten; die Regierungen der einzelnen Staaten können
aber nicht Rechtsvorschriften für das Reich erlassen, wohl aber
unter sich und mit der Reichsregierung sich über ein überein-
stimmendes Verhalten bei der Aemterbesetzung, also einer Ver-
waltungsthätigkeit, verständigen“. Es heisst auch in der Prä-
ambel der „Grundsätze“ nicht, dass der Bundesrat auf Grund
einer reichsgesetzlichen Ermächtigung die Grundsätze beschlossen
habe, sondern dass die verbündeten Regierungen den an gewisse
näher bezeichnete reichsgesetzliche Bestimmungen „sich anschlies-
senden“ Grundsätzen zugestimmt haben; eine sehr ungewöhnliche
und für Rechtsvorschriften wenig angemessene Formel!®. End-
14 Dass dies hinsichtlich der „Grundsätze“ zutrifft, wird durch eine im
Centralblatt 1889 S. 400 enthaltene Bekanntmachung des Reichskanzlers
bestätigt. Es heisst daselbst: „Die für Preussen zu den Anstellungs-
grundsätzen vom 7./21. März 1882 ergangenen, für die einzelnen Zweige
der Reichsverwaltung in Kraft gesetzten Zusatzbestimmungen
(Ausgabe Berlin 1882, R. v. Deckers Verlag) sind zu berichtigen, wie folgt.“
Also eine einzelne Bundesregierung erlässt Zusatzbestimmungen und sie
werden von der Reichsverwaltung übernommen und für die einzelnen Zweige
derselben in Kraft gesetzt. Die preussische Regierung kann aber eben-
sowenig wie die einzelne Reichsverwaltung Rechtsverordnungen für das Reich
erlassen, sondern nur Verwaltungsgrundsätze für die ihr zustehende Besetzung
der Aemter mit anderen Verwaltungschefs vereinbaren. — Bemerkenswert
ist übrigens, dass diese Zusatzbestimmungen nicht einmal im Centralblatt
veröffentlicht wurden; es wird vielmehr auf einen Verlagsartikel einer
Druckerei und Buchhandlung verwiesen und nur die in diesem Abdruck
enthaltenen Fehler werden im Centralblatt berichtigt! Eine merkwürdige
Art, Rechtsvorschriften zu verkündigen!
15 Dass im Bundesrat Vereinbarungen der Regierungen der Bundes-
staaten und der Reichsregierung über ein gemeinsames Verhalten in Ver-
waltungssachen getroffen werden können, welche vollkommen verschieden
sind von Bundesratsbeschlüssen auf Grund des verfassungsmässigen Ver-
ordnungsrechts, ist zweifellos. Solche Vereinbarungen liegen namentlich
immer vor, wenn es sich um einen Gegenstand handelt, welcher nicht zur
Zuständigkeit des Reiches, also auch nicht des Bundesrates als Reichs-
organ, gehört. Ein Beispiel aus neuester Zeit ist die Bekanntmachung des
Reichskanzlers im Centralblatt 1902 S. 432, dass „in der Sitzung des Bundes-
rates vom 18, Dezember 1902 die verbündeten Regierungen vereinbart haben,