Full text: Regierungs-Blatt für das Großherzogthum Sachsen auf das Jahr 1911. (95)

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Ermittelung der Krankheit. 
86. 
Die Polizeibehörde muß, sobald sie von dem Ausbruch oder dem Verdachte des Auftretens einer 
der im § 1 Abs. 1 genannten Krankheiten (gemeingefährliche Krankheiten) Kenntnis erhält, den zu- 
ständigen beamteten aAlrzt benachrichtigen. Dieser hat alsdann unverzüglich an Ort und Stelle Ermit- 
telungen über die Art, den Stand und die alrsache der Krankheit vorzunehmen und der Polizeibehörde 
eine Erklärung darüber abzugeben, ob der Ausbruch der Krankheit festgestellt oder der Verdacht des 
Ausbruchs begründet ist. In Notfällen kann der beamtete Arzt die Ermittelung auch vornehmen, ohne 
daß ihm eine mMachricht der Polizeibehörde zugegangen ist. 
In Ortschaften mit mehr als 10 000 Einwohnern ist nach den Bestimmungen des Abs. 1 auch 
dann zu verfahren, wenn Erkrankungs= oder Tobesfälle in einem räumlich abgegrenzten Teile der 
Ortschaft, welcher von der Krankheit bis dahin verschont geblieben war, vorkommen. 
Die höhere Berwaltungsbehörde kann Ermittelungen über jeden einzelnen Krankheits= oder Todes- 
fall anordnen. Solange eine solche Anordnung nicht getroffen ist, sind nach der ersten Geststellung der 
Krankheit von dem beamteten #lrzte Ermittelungen nur im Einverständnisse mit der unteren Ver- 
waltungsbehörde und nur insoweit vorzunehmen, als dies erforderlich ist, um die Ausbreitung der 
Krankheit örtlich und zeitlich zu verfolgen. 
§ 7. 
Dem beamteten Arzte ist, soweit er es zur Feststellung der Krankheit für erforderlich und ohne 
Schädigung des Kranken für zulässig hält, der Zutritt zu dem Kranken oder zur Leiche und die Vor- 
nahme der zu den Ermittelungen über die Krankheit erforderlichen Antersuchungen zu gestatten. Auch 
kann bei Cholera-, Gelbsieber- und Pestverdacht eine Offnung der Leiche polizeilich angeordnet werden, 
insoweit der beamtete Arzt dies zur Geststellung der Krankheit für erforderlich hält. 
Der behandelnde UArzt ist berechtigt, den Antersuchungen, insbesondere auch der Leichenöffnung 
beizuwohnen. 
Die in §§ 2 und 3 aufgeführten Personen sind verpflichtet, über alle für die Entstehung und den 
Verlauf der Krankheit wichtigen AUmstände dem beamteten #Alrzte und der zuständigen Behörde auf 
Befragen Auskunft zu erteilen. 
88. 
Ist nach dem Outachten des beamteten Arztes der Ausbruch der Krankheit festgestellt oder der 
Verdacht des Ausbruchs begründet, so hat die Polizeibehörde unverzüglich die erforderlichen Schutz- 
maßregeln zu treffen. 
8 9. 
Bei Gefahr im Werzuge kann der beamtete Arzt schon vor dem Einschreiten der Polizeibehörde 
die zur Berhütung der Werbreitung der Krankheit zunächst erforderlichen Maßregeln anordnen. Der 
Vorsteher der Ortschaft hat den von dem beamteten Arzte getroffenen Anordnungen Golge zu leisten. 
Won den Anordnungen hat der beamtele Arzt der Polizeibehörde sofort schriftliche Mitteilung zu 
machen; sie bleiben solange in Kraft, bis von der zuständigen Behörde anderweite Verfügung ge- 
troffen wird. 
§ 10. 
Für Ortschaften und Gezirke, welche von einer gemeingefährlichen Krankheit befallen oder bebroht 
sind, kann durch die zuständige Behörde angeordnet werden, daß jede Leiche vor der Bestattung einer 
amtlichen Besichtigung (Leichenschau) zu unterwerfen ist.
	        
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