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II. Von Vermeidung der von den Eltern herrührenden Anlage
zum Cretinismus.
) Vorzüglicher Beachtung wertb ist der Keim des Cretinismus, der in der Lebensart
der Eltern liegt.
Schon der verkümmerte Nahrungsstand, mit welchem manche Familien und
Gemeinden zu kämpfen haben, ist als ein solcher Keim zu betrachten, und daher wird Allech
was zur Verbesserung jenes Nahrungsstandes dient, auf die Tilgung dieses Keims wohlthätig
einwirken. Ungleich häufiger aber, als unzureichende Nahrung, ist un zweckmäßiger und
unmäßiger Genuß derselben die Ursache leiblicher und geistiger Entartung. Insbesondere
ist hier das Laster der Trunkenheit und der tägliche, zur Gewohnheit gewordene Genuß
des Branntweines hervorzuheben, durch welchen besonders schwächere Naturen der Thal-
bewohner nur um so sicherer zu Grunde gerichtet werden. In manchen Orten ist der Genuß
des Branntweins so sehr verbreitet, daß er selbst Kindern und jüngern Leuten gereicht wird ·
Der Nachtheil ist aber nicht blos auf die unmittelbaren Folgen des zur Geivohnheit gewordenen
Branntwein-Genusses oder eines Uebermaaßes desselben beschränkt, sondern es wirken Excesst
der Eltern nicht selten höchst nachtheilig auf die von ihnen erzeugten Kinder, namentlich auch
in Absicht auf cretinische Entartung ein, und somit unter sonst begünstigenden Umständen auch
auf die Entwicklung einer Familien-Anlage zum Cretinismus, der nun zum Erbtheil mancher
Familien wird. Es sollte daher der Gewohnheit des allgemeinen Branntweintrinkens besonders
in denjenigen Orten und Gegenden, in welchen der Cretinismus herrscht, auf alle Weise
gesteuert, es sollte namentlich von den geistlichen und weltlichen Behörden, so wie vön den
Lehrern und dem gesammten ärztlichen Personal hierauf hingewirkt und den Mäßigkeitsvereinen
jeder Vorschub geleistet, auch getrachtet werden, an die Stelle des Branntweines anderes
gesundes Getränk, z. B. Bier, einzuführen.
5) Eben so verdient überhaupt der Gesundheits-Zustand derjenigen, die eine
ebeliche Verbindung eingehen, alle Anfmerksamkeit, um die Besorgniß einer eretinischen
Entartung bei den von ihnen erzeugten Kindern zu beseitigen.
Nicht nur Personen, bei denen eine solche Entartung Statt findet, follten an der Fort-
pflanzung derselben auf Nachkommen gehindert werden, sondern auch das Heirathen von
Personen, welche mit entschiedenem Siechtbum, wie Druͤsenkrankheit, Epilepsie und anderen,
unheilbar gewordenen, schweren Nerven-Krankheiten behaftet sind, erscheint bevenklich, gan
unräthlich aber die Verbindung zweier Personen, welche beiderseits an einem solchen Uebel leiven-