Das dentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oct. 17.) 255
sie jeßt und man ist allgemein der Ueberzeugung, daß Freiherr v. Manteuffel
keineswegs gesonnen ist, das System Möller, nämlich die auf Kosten des
Deutschthums ausgeübte Verhätschelung des geflissentlich zur Schau getragenen
sentimental-französischen Patriotismus, fortzuseyen, sondern daß „er einen
Strich und Front macht gegen Alles, was es mit dem Auslande halten
wollte". Möller war die verkörperte Güte und da er persönlich äußerst
wenig mit der OHeffentlichkeit verkehrte, fah er im reichsländischen Volk nur
Unglückliche, die um ihr Vaterland weinen und denen man ihr herbes Ge-
schick durch doppelte Nochsicht lindern müsse, wußte aber, wie es scheint,
nicht, daß ihm von einem sehr erheblichen Theil der Bevölkerung diese Nach-
sicht als Schwäche ausgelegt wurde und er großentheils für seine Milde nur
Spolt erntete. Er hat in geschäftlicher Hinsicht eine geordnete Verwaltung
hinterlassen und sich ganz besonders um die geistige Entwicklung des Landes
sehr verdient gemacht; in politischer Hinsicht jedoch sind während seiner Ver-
waltung sehr wenig Fortschritte zu verzeichnen, denn auch die von ihm pro-
tegirte Partei der Autonomisten ist keineswegs deutschfreundlich gesinnt, son-
dern sie folgt nur Zweckmäßigkeitsrücksichten. Das Beamtenpersonal der
Straßburger Bürgermeisterei, aus fast lauter Einheimischen bestehend, gehörte
nahezu ohne Ansnahme dem vor kurzer Zeit wegen seiner deutschfeindlichen
Demonstration aufgelösten Turuverein Fraternelle an, und der Stadtbau-
meister Conrath, dem Möller die ausgedehntesten Vollmachten in Bezug auf
das Bauwesen der Stadt zuertheilt hat, verstand es bisher mit außerordent-
licher Gewandtheit, die Bebauung des Erweiterungsterrains zu verhindern,
bezw. zu verzögern, bloß damit die Miethzinsen für die aus deutschem Geld
erbauten Häuser möglichst lange nach Frankreich an die dorthin ausgewan-
derten Besiher der hiesigen Miethwohnungen fließen. Das und noch Manches
sind Dinge und Thatsachen, welche die Spatzen von den Dächern pfiffen,
die aber gleichwohl der Verwaltung nicht bekannt gewesen zu fein scheinen.
Es ist daher gut, wenn hierin Wandel geschafft wird."
17. October. (Bayern.) II. Kammer: genehmigt die Vor-
lage der Regierung betr. Erhöhung des Malzaufschlags und zwar
schon vom 1. November an und gleich auf 6, nicht bloß 5 -C jedoch
nur bis zum 1. Jannar 1882 mit 98 gegen 43 Stimmen. Damit
wird das Deficit der nächsten Finanzperiode muthmaßlich ganz oder
doch fast ganz gedeckt und ist eine Erhöhung der directen Steuern
nicht mehr nöthig.
18. October. (Deutsches Reich.) Der englische Minister
des Auswärtigen, Lord Salisbury, begrüßk in einer Rede, in der
er die Politik des Torycabinets in der orientalischen Frage vom
Vertrag von St. Stefano an bis zum heutigen Tage erörtert und
rechtfertigt, das zwischen Deutschland und Oesterreich = Ungarn ab-
geschlossene Bündniß als eine große Freudenbotschaft (good tidings
of great joy) und verwerthet dasselbe im Interesse Englands gegen
Rußland in einer Weise, die den Intentionen der beiden Continental-
mächte kaum entspricht. So viel ist jedoch sicher, daß diefelben in
einem allfällig ihnen von Rußland aufgedrungenen Kriege England
entschieden an ihrer Seite fänden. (s. England.)