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8. 6.
In jeder Privat-Irrenanstalt, in welche Kranke zur Heilung aufgenommen werden
wollen, muß zur Behandlung derselben ein approbirter Arzt verwendet werden, welcher
die Verantwortlichkeit für den den Grundsätzen der Seelenheilkunde entsprechenden Be-
trieb der Anstalt zu übernehmen hat.
Für Privat-Irrenanstalten, in welche nur solche Kranke aufgenommen werden wollen,
bei welchen eine Aussicht auf Heilung nicht mehr vorhanden ist, muß der regelmäßige
Besuch eines approbirten Arztes in von der Aufsichtsbehörde für zuläßig erachteten Zeit-
abschnitten gesichert sein. 5.7
Die Ueberwachung des Betriebs der Privat-Irrenanstalten liegt der K. Aufsichts-
kommission für die Staatskrankenanstalten unter Beihilfe der Oberamtsärzte ob. Die
Aufsichtskommission läßt die Privat-Irrenanstalten nach Bedürfniß theils durch ihre
Mitglieder, theils durch den betreffenden Oberamtsarzt visitiren und trifft die zur Be-
seitigung der entdeckten Mängel erforderlichen Verfügungen. Wenn aus beharrlicher
Nichtbefolgung der dem Anstaltsinhaber gemachten Auflagen klar erhellt, daß demselben
diejenigen Eigenschaften abgehen, welche bei der Ertheilung der Genehmigung nach der
Vorschrift des §. 30 der Reichs-Gewerbeordnung vorausgesetzt werden mußten, so ist die
Zurücknahme der ertheilten Konzession auf Grund des §. 53 der Gewerbeordnung bei
der Kreisregierung von der Aufsichtskommission in Antrag zu bringen.
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Der K. Aufsichtskommission sind auf Erfordern Aufschlüsse über die in den Privat-
Irrenanstalten befindlichen Kranken, über die Art ihrer Behandlung und Beschäftigung,
über das zur Pflege dienende Personal, über die Eintheilung und Benützung der Räume
in der Anstalt, sowie über alles, was sich in Betreff der Person der Kranken Bemerkens-
werthes ergibt, bereitwillig zu ertheilen.
Auch ohne Einfordern der Anzeige ist jeder Selbstmord und jede zur Ausführung
gekommene Flucht von Kranken zur Kenntniß der Aufsichtskommission zu bringen, der-
selben auch nach dem Schlusse eines jeden Kalenderjahrs ein Namensverzeichniß der in
der Anstalt befindlichen Kranken mit den in §S. 3 unter lit. a bis g bemerkten Notizen
und Angabe der im Laufe des letzten Jahres neu eingetretenen und ausgetretenen oder
sonst abgegangenen Kranken vorzulegen.
Stuttgart, den 18. Oktober 1873. Sick.
edruckt bei G. Hasselbrink.