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Die Dispensation von der Wartezeit und von dem Aufgebot (Reichsgesetz §. 35,
§. 50 Abs. 1) kommt den Oberamtsgerichten und zwar demjenigen Oberamtsgerichte zu,
in dessen Bezirk der zuständige Standesbeamte (Reichsgesetz §. 42 Abs. 1, S. 44 Abs. 2)
einen Amtssitz hat.
fi Art. 3.
Auf die Klagen wegen richterlicher Ergänzung der versagten Einwilligung zur Ehe-
schließung (Reichsgesetz §. 32) findet die Civilprozeßordnung vom 3. April 1868 Anwendung.
Art. 4.
Aus Eheverlöbnissen kann nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden.
Die gerichtliche Aufhebung von Eheverlöbnissen findet nicht mehr statt.
Die gesetzlichen Vorschriften über die vermögensrechtlichen Folgen des Bruchs eines
Eheverlöbnisses bleiben unberührt.
Art. 5.
Für die Beurtheilung von Rechtsstreitigkeiten, welche die Trennung, Ungiltigkeit
oder Nichtigkeit einer Ehe, oder die Herstellung des ehelichen Lebens zum Gegenstande
haben (Ehestreitigkeiten), bleiben unter den näheren Bestimmungen des Reichsgesetzes und
des gegenwärtigen Gesetzes und bis zur Erlassung weiterer gesetzlicher Vorschriften über
solche Ehestreitigkeiten, diejenigen Rechtsgrundsätze maßgebend, welche im Falle der Ehe-
schließung durch kirchliche Trauung bisher zur Anwendung zu bringen gewesen wären.
Ehestreitigkeiten bei Ehen zwischen Angehörigen verschiedener Glaubensbekenntnisse
oder zwischen Personen, welche nicht einer vom Staate als öffentliche Körperschaft aner-
kannten Kirche angehören, sind nach den für Ehesachen der Protestanten geltenden Rechts-
grundsätzen zu beurtheilen.
Art. 6.
Die in der Ehegerichtsordnung Theil II Cap. 13 §F. 4 bestimmte Vermuthungsfrist
von sieben Jahren wird auf die Dauer von zwei Jahren abgemindert.
Art. 7.
Die Verhängung von Geldstrafen oder von Haft zur Erzwingung der Herstellung
des ehelichen Lebens (sogenannte Zwangsgrade) findet nicht mehr statt.
Wenn ein Ehegatte mindestens ein Jahr lang nach eingetretener Rechtskraft des
Urtheils, welches ihn zur Herstellung des ehelichen Lebens verurtheilt, die eheliche Gemein=
schaft oder die eheliche Pflicht verweigert hat, so kann der Andere die Ehescheidung wegen
Quasidesertion verlangen.