Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1879. (56)

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Nach Beginn des Vollzugs einer Freiheitsstrafe sind Gesuche um Begnadigung beie 
dem Vorstand der Strafanstalt anzubringen. 
8. 4. 
Begnadigungsgesuche können schriftlich eingereicht oder zu Protokoll gegeben werden. 
Wenn der Verurtheilte oder sein Vertreter zunächst nur erklären, daß sie um Nach- 
laß, Milderung oder Verwandlung der Strafe bitten wollen, so sind sie zu befragen, ob 
sie die Bitte besonders zu begründen beabsichtigen, und es ist ihnen für den Fall 
der Bejahung, woferne sie die Gründe nicht sofort zu Protokoll geben wollen, zu Ein- 
reichung eines schriftlichen Gesuchs eine nach §. 43 der Reichsstrafprozeßordnung zu be- 
rechnende Frist von einer Woche innerhalb welcher sie Einsicht von den Akten nehmen 
können, zutreffendenfalls unter Androhung der Strafvollziehung für den Versäumnißfall, 
anzuberaumen. 
Verhaftete, welche bezüglich einer ihnen zuerkannten Freiheitsstrafe eine allgemeine 
Bitte um Begnadigung vortragen, sind, falls sie sich nicht mit der einstweiligen Straf- 
vollstreckung einverstanden erklären, ferner zu befragen, ob sie ihr Gesuch nur auf Ab- 
kürzung der Strafdauer richten wollen (zu vgl. Art. 9, Ziff. 1 des Ausführungsgesetzes 
zur Reichsstrafprozeßordnung). 
In schweren Straffällen (ogl. Art. 8, Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zur Reichs- 
strafprozeßordnung), zu welchen bis auf Weiteres diejenigen Fälle zu zählen sind, in welchen 
das Urtheil auf Todesstrafe oder auf mindestens zehnjährige, in dieser Dauer nicht blos 
durch das Zusammentreffen begründete Freiheitsstrafe lautet, ist dem Verurtheilten so- 
fort nach dem Eintritt der Rechtskraft des Erkenntnisses zu eröffnen, daß es ihm freistehe, 
seine etwaige Bitte um Begnadigung zu Protokoll zu geben oder ein schriftliches Begna- 
digungsgesuch einzureichen. Würde er das Letztere vorziehen, so ist ihm nach Maßgabe 
der vorstehenden Bestimmungen eine Frist von einer Woche anzuberaumen. 
Will der Verurtheilte oder sein Vertreter eine Bitte um Gewährung von Straf- 
aufschub oder Strafunterbrechung im Gnadenwege besonders begründen, so 
ist ihm eine den Umständen angemessene kurze Frist zu gewähren. 
8. 5. 
Die in §. 3, Ziff. 1—3 genannten Behörden und Beamten haben die bei ihnen 
angebrachten Gnadengesuche, sofern sie zu deren Erledigung nicht selbst zuständig sind,
	        
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