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Art. 8.
Wird ein Todesurtheil oder ein anderes von Amtswegen dem König zur etwaigen
Ausübung des Begnadigungsrechts vorzulegendes Urtheil (§. 97 der Verfassungsurkunde)
beschlossen, so hat das Gericht darüber zu berathen, ob für die Begnadigung des Ver-
urtheilten sprechende Gründe vorhanden sind. Eine Aeußerung über das Ergebniß der
Berathung ist unverzüglich dem Justizministerium vorzulegen.
Auch in anderen Fällen kann das Gericht von Amtswegen das Urtheil zu gleichem
Behuf vorlegen, wenn nach seinem Dafürhalten für die Begnadigung sprechende Gründe
vorliegen.
Die Vollziehung der Strafe bleibt in den Fällen der Absätze 1 und 2 ausgesetzt
(vergl. auch §. 485 Abs. 1 der Reichs-Strafprozeßordnung), es wäre denn, daß der Ver-
urtheilte um Begnadigung gebeten hat, welchenfalls die Vorschrift des Art 9. Anwendung
findet.
Art. 9.
Begnadigungsgesuche hemmen in der Regel den Vollzug der erkannten Strafe.
Der Strafvollzug wird nicht aufgeschoben:
1) wenn ein zu Freiheitsstrafe Verurtheilter sich mit der einstweiligen Strafvollstreck-
ung einverstanden erklärt oder nur um Abkürzung der Strafdauer gebeten hat, vor-
ausgesetzt, daß nicht im letzteren Falle durch den alsbaldigen Strafvollzug die Wirk-
samkeit einer erfolgenden Begnadigung vereitelt werden könnte;
2) wenn das Erkenntniß bereits von Amtswegen zum Behuf etwaiger Begnadigung
vorgelegt war, es wären denn zur Unterstützung des Gesuchs in den Akten nicht
bereits enthaltene Umstände angeführt;
3) wenn ein Begnadigungsgesuch vorausgegangen ist und nicht zur Unterstützung des
neuen Gesuchs neu entstandene oder neu entdeckte Umstände vorgebracht und zugleich
bescheinigt werden;
4) wenn es sich um eine Strafe handelt, deren ungesäumte Vollstreckung zu Aufrecht-
haltung des obrigkeitlichen Ansehens nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen
erforderlich ist.
Im Uebrigen ist das bei Begnadigungsgesuchen und bei Gesuchen um Strafaufschub
oder Unterbrechung des Strafvollzugs im Gnadenweg zu beobachtende Verfahren Gegen-
stand der Verordnung.