214 Das beuische Reich und feine einielnen Glieder. (Juli 14.)
Reichsverwaltung, namentlich die der Reichefinanzen. Die erste Abtheilung
bildete sodann das General-Postamt unter Stephan, die zweite das General-
Telegraphenamt, die dritte Abtheilung war die für Elsaß-Lothringen unter
Herzog. Eine Anzahl lleinerer Reichebehörden für Zollcontrole, Auswan-
derung. Schulwesen, Statistik 2c. ressortirte vom Reichskanzleramt. Im
nächsten Jahre trat schon eine vierte Abtheilung, das Reichs-Justizamt, hinzu.
Darauf lam die Vereinigung der zweiten und dritten Abtheilung unter
Stephan und bald darauf deren Lostrennung vom Reichskangleramte und
ihre Constituirung als selbständige Ressorts. Als Hofmann an Telbrück's
Stelle kam (Frühling 1876), trat er bereils als Präsident des Reichskanzler-
amtes an die Spitze einer an Einfluß. Inhalt und Bedentung sehr ver-
kleinerten Behörde. Ein Jahr darauf wurde auch die elsässiche Abtheilung
abgetreunt. Das Reichslanzleramt enthielt nur noch die Cenlralabtheilung
und die Abtheilung für Reichsjustizwesen. Nach der Votirung der Reichs-
justizgesetze entstand das selbständige Reichsjustigamt, und der Schematismus
ür 1879 zeigt uns das Reichskanzleramt, jene noch vor wenigen Jahren so
imposante Behörde, auf die „Central-Ablheilung“ Zusammengeschrumpft,
immer noch unter Eck's Leitung. Die Finanz-Abtheilung in derselben hatte
mittlerweile an Bedenkung gewonnen, Michaelis war unter dem Titel Di-
rector an ihrer Spigz geblieben. Diese Zersetzung der obersten Reichsbehörde,
die fast nur zur Erhöhung des persönlichen Einflusses des Reichskanzlers
vorgenommen war, halte die Schaffung einer besonderen „Reichskanzlei“
nölhig gemacht, um den Verkehr des Kanzlers mil all den selbständig ge-
wordenen Central-Instanzen zu ermöglichen; an die Spitze dieser Behörde,
die nichts als eine Art Secrelariat ist, tral als vorlragender Ralh Herr
Tiedemann. Durch den letzten Elat ist nun erstens die Central-Abtheilung
ihres wesentlichsten Inhalls beraubt worden, indem das Reichsschatzamt ge-
schaffen wurde. Gleichzeitig ist durch das Siatthallergesen die Verwaltung
von Elsaß-Lothringen von Grund aus geändert. Endlich wurde in den
letzten Wochen ohne Befragung des Bundesrathes eine neue Behörde, das
eichsamt für die Reichs-Eisenbahnen unter Maybach ins Leben gerufen. —
Am meisten Aufsehen macht die Ernennung Maybach's zum Chef eines neuen
Reichsamtes „für die Verwaltung der Reichseisenbahnen". Eigentlich existirt
auch dieses Reichsamt „auf dem Papier“ schon seit dem 30. Mai 1878;
aber der bezügliche kaiserliche Erlaß wird jetzt erst im Reichsgesepblatte
publicirt, gleichzeitig mit der Miltheilung, daß der Kaiser den preußischen
Minister der öffentlichen Arbeiten, Maybach, zum „Chef des Reichsamts fär
die Verwaltung der Reichseisenbahnen“ ernannt habe. Das Interessanteste
an diesem Erlaß vom 30. Mai 1878 ist offenbar das Datum desselben. Man
erinnert sich, daß im vorigen Frühjahr — gerade wie in dem dießjährigen —
drei preußische Minister mit einem Schlage von der Bühne verschwanden:
Camphausen, Graf Eulenburg I und Achenbach, und daß am 30. März —
während der von dem Reichskanzler neulich auf ministeriell-parlamentarische
Verschwörung zurückgeführten Zwischensession des preußischen Landtags —
ie . Hobrecht, Graf Eulenburg II und Maybach an ihe Stelle traten.
Graf Eulenburg I war schon seit längerer Zeit beurlaubt, Camphausen
hatte wegen der Enthüllung des Reichskanglers, daß die Camphausew'sche
Tabaksteuervorlage den Uebergang zum Monopol bilden sollte, seine Ent-
lassung verlangt, und Hr. Dr. Achenbach gab urplötzlich in der letten
Woche des Märg seine Entlassung, um Hrn. Maybach, seinem Unterstaats-
secretär, Platz zu machen. Aber noch ehe die Ernennung desselben erfolgte,
ging dem Abgeordnetenhause ganz unvorbereitet ein Gesetentwurf zu, welcher
die Errichtung eines besonderen Eisenbahnministeriums beantragte, und an
demselben Tage, wo diese Vorlage abgelehnt wurde, am 30. März, erfolgte