Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1899. (76)

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Bei der Aufnahme wird dem Gefangenen von dem Vorstand die Sittenklasse bezeichnet, in 
welche er eingetheilt wird, und seine Beschäftigung angewiesen, auch, soweit dies sofort thunlich ist, 
bestimmt, ob derselbe in Einzelhaft oder Gemeinschaftshaft zu nehmen ist. Der Gefangene wird zu 
genauer Beobachtung der Hausregeln (Beilage Nr. 1) ermahnt und darauf hingewiesen, daß er einen 
Abdruck derselben in dem ihm angewiesenen Raum vorfinde, auch vor jedem Fluchtversuch unter 
Hinweis auf die Folgen eines solchen Unternehmens verwarnt. Von der Berechnung der Straßzeit 
wird dem Gefangenen Kenntniß gegeben. 
Endlich wird der Gefangene dem betreffenden Aufsichtspersonal vorgestellt. 
8. 2. 
Hienächst wird der Gefangene einer sorgfältigen Visitation unterzogen, vor welcher er sich auf 
Erfordern ganz, jedenfalls bis auf das Hemd zu entkleiden hat. Dieselbe wird bei weiblichen Ge- 
fangenen durch eine Aufseherin vorgenommen. 
Auch ist dem Neueingelieferten in der Regel ein Bad zu verabreichen. 
Die Haar= und Barttracht wird nur aus Gründen der Reinlichkeit oder Schicklichkeit verändert. 
8. 3. 
Innerhalb der ersten 24 Stunden hat der Hausarzt der Anstalt den Gefangenen in Bezug 
auf seinen Gesundheitszustand zu untersuchen. Der Untersuchung weiblicher Gefangenen hat stets 
eine Aufseherin beizuwohnen. 
Eine gedrängte hausärztliche Aeußerung über die körperliche und geistige Beschaffenheit, den 
Gesundheitszustand und das Vorleben (Erblichkeit, Jugendentwicklung u. dergl.) des Neueingelieferten, 
sowie darüber, ob er sich zur Einzelhaft eignet, ist zu den Personalakten des Gefangenen zu bringen. 
8. 4. 
Von dem Ergebniß der doppelten Visitation (88. 2. 3), welche in einem geeigneten Lokal unter 
Beobachtung der Anstandsrücksichten vorzunehmen ist, wird dem Vorstand Anzeige erstattet, falls die- 
selbe etwas besonders Bemerkenswerthes oder eine Krankheitserscheinung zu Tage fördert. Besondere 
in dem Signalement der Gefangenen bisher nicht enthaltene Kennzeichen, welche sich bei der Visitation 
ergeben, sind zu den Personalakten zu vermerken. 
Vor der Vornahme der Visitationen ist der Neueingelieferte mit anderen Gefangenen nicht in 
Berührung zu bringen. 
8. 5. 
Jeder Neueingelieferte wird innerhalb der ersten 8 Tage nach seinem Eintritt in die Straf- 
anstalt dem Geistlichen seiner Konfession vorgestellt. 
8. 6. 
Je nach dem Ergebniß der in §§. 2—5 vorgeschriebenen Erhebungen wird der Vorstand Anlaß 
nehmen, sich den Gefangenen nochmals vorstellen zu lassen und dementsprechend die weiteren geeig- 
neten Verfügungen zu treffen.
	        
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