Metadata: Europäischer Geschichtskalender. Zwanzigster Jahrgang. 1879. (20)

332 Bie Gerlerreichisch- Augarische Monarchie. (Juni 24.) 
VBöllerdes Reiches zu vertreten, die Anerkennung und ungehinderte Entwick- 
lung wahrer Autonomie der Königreiche und Länder zu verfechten und fest- 
zuhalten an kräftiger Zusammenfassung und gemeinsamer Behandlung der 
höchsten Staatsausgaben. In der Neugestaltung der Verfassungsverhältnisse 
und parlamentarischen Institutionen mußten sie aber „eine schwerere Beein- 
trächtigung, wenn nicht geradezu Verläugnung der bistorischen Rechte der 
Länder und namentlich der staatsrechtlichen Stellung des Königreich ##hmen 
erblicken.. Der Wahlaufruf erkennt ferner an, daß wohl im e der 
Jahrzehnte tiefeingreifende Wandlungen in den öffenklichen asasender 
vor sich gegangen sind, aber dadurch seien nicht alle aus dem historischen 
Recht und der nationalen Existenz hervorgegangenen Forderungen aufgehoben 
worden und der Widerstreit dieser Rechte lasse sich nicht durch einen eivil- 
rechtlichen Proceß, sondern nur durch einen Ausgleich beheben. Ueber diesen 
Ansglelch heißt es wörtlich: „Nur in versöhnendem Ausgleich unter Heilig- 
haltung des Rechtes an sich, nur in jener aushleichenden Verbindung, welche 
das allerhöchste Diplom vom 20. Oct. 1860 als hohes Ziel sich geseht hatte, 
kann eine heilfame Lösung gefunden werden. Um solcher Ziele willen waren 
wir jedesmal — wir waren im Jahre 1867, im Jahre 1870, im Jahre 
1871 bereit zu gemeinsamer Thätigkeit, wenn uns gestattet würde, den Rechts- 
standpunkt zu wahren, den festzuhalten wir als unsere Pflicht und als unser 
Recht erkannten und erkennen. Die gleiche Bereitwilligkeit bringen wir auch 
heute dem Rufe wieder einzutreten in das parlamentarische Leben, einzutreten 
in den Reichsrath, ehrlich und offen enkgegen. Wir können dieselbe aber 
nur unter der Voraussetzung bethätigen, daß uns die Möglichkeit beboten 
wird, unsere Ueberzeugung, unseren Rechtsstandpunkt offen und ohne allen 
Nückhalt wirksam zu wahren; daß aber auch der Gang der öffentlichen An- 
gelegenheiten uns Gewähr dafür bietet, daß unser Betreten des factischen 
Bodens parlamenkarischer Thätigkeit nicht vorübergehenden Zwecken ephe- 
merer Partei-Combinationen, sondern wirklich und wahrhaft der versöhnenden 
Ausgleichung divergirender Rechte und Rechtsanschauungen, der Herstellung 
dauernden Friedens, den hohen Aufgaben einer im wahren Sinne des Wortes 
conservativen, im wahren Sinn österreichischen Politik dienen kann und soll." 
Schließlich wird die Nothwendigkeit einer gemeinsamen Candidaten-Liste mit 
dem verfassungstreuen Großgrundbesih motivirt; die Verständigung sei ange- 
bahnt „unter voller Wahrung des beiderfeiligen Standpunktes, unter gegen- 
seitiger Achtung feststehender Ueberzeugun „Wir können und müssen er- 
klären, daß wir eben so sehr vom Geiste g Versöhnlichkeit erfüllt sind, als 
treu festhalten an den Grundsätzen, welche wir in dieser unserer Erklärun 
ausgesprochen haben.“ Im Grunde ist der langen Rede kurzer Sinn aigenilch 
doch folgender: die Feudalen erklären, daß sie die Verfafsung nicht als ge- 
sehlichen, sondern nur als Lasischn Zustand ansehen und daß sie in den 
Reichsrath eintreten ledig in der Absicht, die Verfassung nach ihrem 
ständischen Ideale umzugestalten, ja sie geben zu verstehen, daß sie sofort 
wieder austreten, wenn sie die kle einsehen sollten, disen Zweck 
erreichen. Das Manifest der verfassungstreuen böhmischen Eroß 
rundbesißzer ist im Gegensah gegen dasjenige der Feudalen ziemlich wort- 
arg und es ist aus demselben nur nokhdürftig zu ersehen, was er seinerseits 
durch den Compromiß bezweckt. Denn es ist doch allzu durgtig. wenn gesagt 
wird, daß der verfassungstreue Großgrundbesiy durch vielfältige Anlänse, 
welche das Vorhaben erkennen lassen, das Wahlrecht des Großgrundbesiges 
zu beseitigen, sich in seinem Privilegium bedroht fühle und deßwegen die 
luterstühung der Feudalen aussuche, um dasselbe zu vertheidigen. Die That- 
ache ist nicht zu läugnen, aber ebenso wenig, daß diese Angriffe nichts 
weniger als gefährlich waren. Die Wahrheit ist vielmehr, daß die verfas- 
  
 
	        
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