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der Verf.) sowie das grundlegende Verhältnis von Justiz und
Verwaltung im Kurstaate haben wir bereits in unserer Abhand-
lung über die kurhessische Behördenorganisation (Jahrgang 1914
S. 37—81 dieser Zeitschrift) einer eingehenden Erörterung unter-
zogen, so daß über Inhalt und Bedeutung dieses Abschnitts sowie
des Abschnitts 9 „von der Rechtspflege“ nur noch wenige Bemer-
kungen nachzutragen sind.
Nach $ 114 durfte niemand seinem gesetzlichen Richter ent-
zogen werden, niemand durfte anders als in den durch die Ge-
setze bestimmten Fällen und Formen zur gerichtlichen Unter-
suchung gezogen, zu gerichtlicher Haft gebracht, darin zurück-
gehalten oder gestraft werden. Es folgen weitere grundlegende
strafprozessuale Vorschriften. Jeder Angeschuldigte war, wofern
nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen Verbrechens
gegen ihn vorlagen, der Regel nach gegen Stellung einer ange-
messenen durch das Gericht zu bestimmenden Kaution aus seiner
Haft ohne Verzug zu entlassen. Höchst interessant ist die Vor-
schrift des $ 116 Abs. 2, daß alle Urteile über politische und
Preßvergehen mit den Entscheidungsgründen Öffentlich bekannt
werden mußten. Haussuchungen waren nur auf Anordnung des
zuständigen Gerichts oder der Ortsobrigkeit statthaft ($ 117),
keinem Angeschuldigten durfte das Recht der Beschwerdeführung
während der Untersuchung, das Recht der Verteidigung oder der
verlangte Urteilsspruch versagt werden ($ 118). Auf diese Weise
war eine Niederschlagung des Strafverfahrens (Abolition) gegen
den Willen des Angeschuldigten ausgeschlossen. Zur Sicherung
„einer unparteiischen, tüchtigen und unverzögerten Rechtshilfe*“
war die Zahl der Mitglieder der Gerichte gesetzlich zu bestimmen
‘und jedes Gericht vollständig zu besetzen ($ 120). Zur Beklei-
dung des Richteramtes war ein Alter von 24 Jahren, zur Er-
langung der Stelle eines Oberappellationsgerichtsrats ein solches
von 30 Jahren erforderlich ($ 122). Gemeinden und Körper-
schaften bedurften zur Klagerhebung gegen den Staatsanwalt als