A. Kurzwelly: Die bäuerliche Kleinkunst. 519
Zeit der deutschen Kunst, im 16. Jahrhundert, auch vornehmeres, künstlerisch
wertvolles Zinngeschirr hervorgebracht hat: hervorragend schöne, reich mit
Relief verzierte Kannen und Krüge, die sich den edelsten Erzeugnissen der
Nürnberger Zinngießer der Renaissance, eines Caspar Ederlein u. a.,
würdig an die Seite stellen. Der sächsische Ursprung dieser Kannen, als
deren schönste der prächtige Willkomm der Zittauer Maurerinnung von
1562 (im städtischen Museum zu Zittau) gelten darf, ist erst unlängst von
dem bekannten Zinnsammler Demiani erkannt und nachgewiesen worden.
Ihr technisch sehr eigenartiger Reliefschmuck geht zumeist auf Plaketten des
bekannten Nürnberger Modelleurs Peter Flötner zurück. Die Orte, denen
die bisher bekannten Krüge der Art ihre Entstehung verdanken, sind die
obersächsischen Städte Schneeberg, Annaberg, Marienberg, Zwickau und Zittau.
Ehedem war auch hölzernes Tischgeschirr in Sachsen wie anderwärts
im Bauernhause sehr verbreitet. Vereinzelt waren bei uns hölzerne Teller,
Schüsseln und Löffel bis in die letzten Jahrzehnte in Gebrauch. An dem
Bordbrett der wendischen Bauernstube sollen heute noch hier und da Holz-
teller und Holzschüsseln zu sehen sein, zum Teil mit schöner Kerbschnitt-
verzierung, die sonst in Sachsen sehr selten auftritt. In der Gegend von
Hohenleuben im Vogtland sollen Holzteller neben großen runden hölzernen
Löffeln noch Ende der sechziger Jahre täglich in Gebrauch gewesen sein.
Auch den Bedarf an Holzgeschirr konnte Sachsen von altersher selbst
decken. Die weitverzweigte erzgebirgische Hausindustrie von Grünhainichen
und Umgegend (Borstendorf, Waldkirchen, Krumhermersdorf u. a. O.) sowie
von Zöblitz und den umliegenden Dörfern Sorgau, Pockau, Ansprung,
Pobershau u. a. O. hat hier reichlich für das Nötige gesorgt. Ihre Erzeug-
nisse (hölzerne Gebrauchsartikel aller Art, wie Teller, Schüsseln, Mulden,
Schippen, Kuchenbretter, Löffel, Salzmesten u. s. w.) haben weit über Sachsens
Grenzen hinaus ihren Weg gefunden.
Mehr Interesse nach der künstlerischen Seite bietet eine andere Holz
verarbeitende bäuerliche Hausindustrie des Erzgebirges, die Spielwaren-
industrie. Sie konzentriert sich in Seifen und Umgegend (Heidelberg, Neu-
hausen, Ober= und Niederseifenbach u. a. O.) und wird schon länger nebenbei
auch in Grünhainichen und Zöblitz und in Waldkirchen und Borstendorf
betrieben. Es müßte von großem Reiz sein, diese Industrie in ihre früheren
Perioden und bis in ihre Anfänge zurückzuverfolgen, ihre primitiven Erstlings-
leistungen aufzuspüren, die noch nicht die anleitende Hand des vom Staate
bestellten Geschmacksbildners verraten. Sie würden unsere Erkenntnis der
bäuerlichen Formenempfindung, des dem Naturmenschen eigenen, naiven künst-
lerischen Sehens wesentlich bereichern.
Man kann sich nicht wundern, in einer Gegend, wo die Spielwarenin-
dustrie heimisch ist, geschnitzte Holzfiguren auf dem Lande auch als Zimmer-