88 8 6. Das Wesen der landesfürstlichen Familiengewalt.
baierischen Gesamthause“ erst durch den Ansbacher Haus-
vertrag vom 17. Oktober 1796 Anfänge auch einer Hausgewalt
des Familienchefs zur „Einführung“ gelangten (vgl. Schulze
I 301). Wohl entwickelte sich überall die Stellung als
Familienhaupt schon früher als Wirkung des Primogenitur-
prinzips, aber lediglich als eine besondere Rang-, nicht als
eine besondere Gewaltstellung innerhalb des Hauses. Diese
besondere Familiengewalt des Landesherrn ist ebenso neu aus
Rücksichten auf das Staatsinteresse entstanden, wie die
Einführung des Grundsatzes, daß Voraussetzung der Sukzessions-
fähigkeit Abstammung aus einer vom Staatshaupte genehmigten
Ehe sein müsse. Dies Erfordernis ist ja auch jetzt noch
nicht zu vermuten, aber während es heute die tatsächliche
Regel bildet, gehörte jenes Bedingnis zur Zeit des alten
Reiches zu den seltenen Ausnahmen. Man vergleiche Moser,
Familienstaatsrecht Bd. II S. 13, 15, 908.
Es ist Napoleons I. Hausstatut (Statut de famille [imp£riale])
für die neugegründete kaiserliche Dynastie vom 30. März
1806 — enthalten ım Tit. III des Senatus-Consulte organique
du 28 Floreal an XII. d. ı. der Verfassung für das neue
Kaiserreich !) —, welches zuerst diese Familiengewalt formuliert
mit den Worten: Napol&on Bonaparte &tablit par des statuts
auxquels ses successeurs sont tenus de se conformer les
devoirs des individus, de tout sexe, membres de la famille
imp6riale, envers ’Empereur, und von ihm, also von einem
Staatsgesetz aus, ging dieses Rechtsinstitut dann in die
Hausgesetzgebung zunächst der Rheinbundsstasten über?).
C. 1. Gut wird das neue Verhältnis der Hausangehörigen
in seiner Doppelnatur als allgemeines Untertanen- und be-
sonderes Gewaltverhältnis charakterisiert eben von diesen
Hausgesetzen. Sie unterscheiden die Stellung des Familien-
mitgliedes zum Fürsten als „Regent“ und als „Oberhaupt der
Familie“. „Alle Glieder des Königlichen Hauses, heißt es im
bayerischen Familienstatute von 1819 Tit. 1 $ 2, sind der
Hoheit und Gerichtsbarkeit (das ist die allgemeine Staats-
1) Bulletin des lois de ’Empire Frangais. An XII. 2. Semest. Bd. 18.3.
2) Vgl. Störk, Austritt aus dem landesherrlichen Hause 8. 18f.