94 8 6. Das Wesen der landesfürstlichen Familiengewalt.
fassungen die ist, daß das Familienhaupt für sich allein Haus-
gesetze zu erlassen vermöge, aber wir werden sehen, daß
dies dem deutschen Fürstenrecht völlig widerspricht. Nach
ihm bedarf es der Zustimmung der Agnaten. Darum sind die
gemäß dieser zwei Verfassungen vom Landesherrn allein er-
lassenen Hausgesetze aber keineswegs ungültig. Sie stellen
eben unechte Hausgesetze, Staatsgesetze in nur äußerer haus-
gesetzlicher Form dar. Und so haben wir zwei Arten von
Hausgesetzen: Die einen, welche Staatsgesetze für das Haus
sind, und die anderen, welche wirklich als Gesetze des Hauses
bezeichnet werden dürfen. Zu letzterer Gruppe rechnet auch
Oldenburg trotz seiner subjektiven Fassung: „vom Großherzog
hausgesetzlich bestimmt.“ Das „vom Großherzog“ heißt hier
nur: von ihm als primus inter pares. Es ist nicht beigefügt:
von ihm als Familienoderhaupt. Er soll lediglich das Vor-
stimmrecht haben. Das Oldenburger Hausgesetz vom 1. Sep-
tember 1872 ist auch nicht ohne Zustimmung der Agnaten
erlassen.
B. 1. Der Staat hat auch in der Frage der Regelung der
landesfürstlichen Familienaufsicht die rechtliche Macht, das
Familienoberhaupt mit einer für sich allein ausreichenden
hausgesetzgebenden Gewalt auszustatten. Denn es handelt sich
hier, wie wir sahen, um ein erst durch den modernen Staat
geschaffenes, also der alten Hausautonomie fremdes Rechts-
institut. Daher vermag der Staat hierfür eine, wenn ich so
sagen darf, bureaukratisch organisierte hausgesetzgebende
Gewalt zu schaffen. Echte Hausautonomie ist es nicht, sondern
nur vom Staate für das oberste Familienorgan geschaffene
neue Hausverordnungsgewalt. Nicht Hausgesetze, sondern
Hausverordnungen sind es, welche das Familienoberhaupt für
sich allein zu erlassen vermag.
2. Aus demselben Grunde folgt aber noch ein Zweites.
Mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln versuchten wir,
darzulegen, wie in Bezug auf Thronfolge Hausrecht durch
Landesrecht nicht gebrochen zu werden vermag. Hier müssen
wir anderes sagen. Für diese Materie, die Ordnung der
landesfürstlichen Hausgewalt, besitzt das Haus korporative
Gesetzgebungsgewalt lediglich infolge Schaffung durch den