$ 1. Die herrschende Lehre. 3
deutschen Staatsrechts“ von Anschütz in Holtzendorff-Kohlers
Enzyklopädie der Rechtswissenschaft (6. Aufl., 1903 Bd. U
S. 566, 571) kleiden: Der Staat ist jetzt Persönlichkeit; die
Krone gehört daher dem Staat. Das Wesen der Monarchie
ist Organschaft im Staat, d. h. Tätigkeit für den Staat, Ver-
waltung von Gütern und Rechten, die nicht dem Verwalter,
sondern dem Staate gehören. Wie alle Rechtssätze über diese
Organschaft auf dem Willen des Staates beruhen, so auch
diejenigen über ihren Erwerb; das Thronfolgerecht ist Staats-
recht; das gesamte fürstliche Hausrecht, soweit es sich auf
die Thronfolge bezieht, ist in Staatsrecht umgegossen. Die
Thronfolge ist nicht mehr wahre Erbfolge im privatrechtlichen
Sınne, Einrücken in ein Privatrecht eines Verstorbenen, son-
dern Übergang der höchsten Staatsorganschaft von einer
Person auf eine andere, etwas rein Staatsrechtliches. „Wenn
der alte König die Augen schließt, so ist dies hinsichtlich
des Gegenstandes, um welchen es sich hier handelt, hinsicht-
lich der Staatsgewalt, kein Erbfall mehr, denn der, dem dies
Gut jetzt gehört, ist gar nicht gestorben; es ist nicht der
König, sondern der Staat.“ Aber nicht bloß angenommen,
sondern auch fortgebildet hat die moderne Staatsrechtslehre
die rein staatsrechtliche Thronfolgetheorie Gerbers und Helds.
Gerber und Held haben noch nicht alle Konsequenzen ge-
zogen, welche sich hieraus logisch ergeben, vor allem die
Hauptfolgerung nicht, daß der Staat die Anwärterrechte der
Agnaten am Thron, das Recht der Dynastie an der Krone
einseitig zu entziehen vermag. Ausdrücklich erklärt Gerber
in seinen Grundzügen des deutschen Staatsrechts 3. Aufl.
829 S.92 Note 7, das aus der Abstammung vom erwerbenden
Ahnherrn abgeleitete Anrecht auf die Thronfolge sei nicht
durch die Staatsgewalt einseitig entziehbar, weil es eine der
ersten Forderungen des modernen Staates sei, daß die Ord-
nung der Thronfolge jeder Willkür (also auch der einseitigen
Abänderung durch verfassungsänderndes Gesetz) entrückt sei.
Seine Nachfolger sind anderer Anschauung. Sie erklären, daß
die Rechte der Agnaten für die staatliche Gesetzgebung keine
Schranken bilden. Man vergleiche statt Vieler!) Georg
!) Arndt S. 12#f. und Schücking S. 31 zählen die Vertreter auf.
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