Full text: Modernes Fürstenrecht

8 20. Heilung von Erwerbsmängeln. 197 
rechten betroffen. Sie alle sind auch Träger der Hausauto- 
nomie. Praktisch erscheint ihr Verzicht auf Individualrechte 
als das Wichtigere und so verschwindet äußerlich, daß zu- 
gleich ein Hausindividualgesetz ergeht. Namentlich in früheren 
Zeiten, wo die Agnaten noch nicht einer Familiengewalt des 
Hauptes unterstanden und demgemäß die Organisation des 
Hauses eine losere war, wurde so verfahren. 
Deutlich tritt das materielle Vorhandensein doppelartiger 
Rechtsvorgänge, eines gesetzgeberischen und eines oder 
mehrerer rechtsgeschäftlicher, in Erscheinung, wenn an beiden 
Akten nicht gleichviel Agnaten beteiligt sind. So jene Ur- 
kunde des Gesamthauses Schwarzburg vom 21. April 1896. 
Im ersten Satze treten als Erklärende drei Personen auf, die 
drei letzten Agnaten des fürstlichen Gesamthauses; im zweiten 
nur zwei, die Repräsentanten der Linie Schwarzburg-Sonders- 
hausen. Im ersten Satze wird Prinz Sızzo als Agnat des 
Gesamthauses und zwar speziell der Linie Rudolstadt aner- 
kannt; dies ist seinem Inhalt nach ein Akt der Hausgesetz- 
gebung; da mußten alle Agnaten mitwirken. Im zweiten 
Satze begeben sich die beiden einzig noch vorhandenen 
Sondershauser Agnaten ihres Nachfolgeanspruches in Rudol- 
stadt zugunsten des neuen Agnaten; dies ist ein rechtsge- 
schäftlicher Akt, Verzicht auf einen Nachfolgevorrang, Rang- 
ausweichung; hierzu bedurfte es demgemäß keiner Mitwirkung 
des (einzig noch vorhandenen) Rudolstädter Agnaten. Die 
Urkunde selbst nennt sich „Anerkennungsurkunde“ und in 
den Gesetzen der beiden Staaten vom 1. Juni bezw. 14. August 
1896 wird sie von sämtlichen Agnaten des Gesamthauses 
vollzogene Vereinbarung genannt. Dies tut ihrer Hauptnatur 
als Hausgesetz keinen Eintrag. Nicht rechtsgeschäftliche, son- 
dern objektivrechtliche Anerkennung liegt vor, nicht Vertrag, 
sondern Gesamtakt der Träger der Hausgesetzgebung ist 
gegeben; in diesem Sinne steht „Vereinbarung“. Kein Teil 
kann zurücktreten. Nur alle zusammen können den (esamt- 
akt wieder beseitigen. Was das Wesen des Hausgesetzes 
ausmacht, ist nicht die Form, sondern der Inhalt. Hausgesetz 
ist Gesetz im materiellen Sinne. Gleichgültig ist seine äu/sere 
Form. So stellen z. B. die „unter Konsens der Agnaten“
	        
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