Full text: Modernes Fürstenrecht

234 $ 22. Erwerb durch Verleihung und Aufnahme. 
Nebenlinie in ihr Haus auf. Gleichgültig ist dabei, ob das 
aufnehmende Spezialhaus einen älteren oder einen jüngeren 
Zweig des Gesamthauses darstellt. Wohl geht die ältere 
Linie der jüngeren dem Geblütsrecht zufolge vor, aber dies 
bedeutet nur, daß der gemeinsame Stammvater nicht durch 
letztwillige Verfügung zum Nachteil der älteren verfügen 
kann; die ältere selbst kann auf ihren Altersvorzug zugunsten 
der jüngeren verzichten und demgemäß in diese als jüngere 
Nebenlinie eintreten. Namentlich dann liegt eine solche Auf- 
nahme nahe, wenn die ältere Linie für den Fall des Er- 
löschens des jüngeren Hauses in dessen Gebiet eventuelles 
Sukzessionsrecht besitzt. 
B. Um einen Fall zu konstruieren, so bildet Philipp 
der Großmütige von Hessen den gemeinsamen Vater der beiden 
heute noch existierenden hessischen Hauptlinien Kassel und 
Darmstadt. Diese beiden Linien miteinander stellen also 
das fürstliche Gesamthaus Hessen dar. Das Kasseler 
Spezialhaus, nur noch in der sogen. landgräflichen Linie von 
Hessen-Kassel existierend, hat 1866 die Eigenschaft eines 
regierenden Hauses eingebüßt, besitzt aber, obwohl die ältere 
Linie, infolge Gesamtbelehnung und Erbverbrüderung Suk- 
zessionsrecht in Hessen-Darmstadt. Setzen wir nun den Fall, 
der Großherzog Ernst Ludwig von Hessen (geb. 1868), gegen- 
wärtig der einzige Agnat des Darmstädter Spezialhauses, und 
der älteste Zweig des landgräflichen Hauses Hessen-Kassel, 
die sogen. Rumpenheimer Linie, würden dahin übereinkommen, 
daß die Rumpenheimer Linie in das großherzoglich hessische 
Haus eintrete, so würden die Agnaten des Rumpenheimer 
Zweiges des landgräflichen Spezialbauses Kassel im Vertrags- 
wege Agnaten des Darmstädter Spezialhauses. Einer Zustim- 
mung der zwei anderen Linien des landgräflichen Hauses, der 
Linie Philippstal und Philippstal-Barchfeld, bedürfte es nicht; 
denn erstens kann der Vertrag dahin gehen, daß die Rumpen- 
heimer Linie ihre Mitgliedschaft in der älteren Linie gar nicht 
aufgibt und im Darmstädter Hause als neue darmstädtische 
Linie kein Sukzessionsrecht erhält; aber auch, wenn der Ver- 
trag so formuliert wird, daß die Rumpenheimer Mitglieder 
des landgräflichen Hauses aus diesem völlig ausscheiden, also
	        
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