Full text: Modernes Fürstenrecht

402 8 47. Die Rechtskraft des Thronfolgeverzichte, 
zichtenden gleichgeachtet? Dies ist ein anderer Rechtssatz, 
als der tatsächlich in Geltung stehende. Dieser lautet: wer 
vor Anfall verzichtet, gilt bei Eintritt des Anfalls als nicht 
vorhanden, somit als einer, dem die Krone nicht anfällt. Nach 
jener Auslegung müßte der Wortlaut des Rechtssatzes sein: 
wer vor Anfall verzichtet, dem fällt die Krone doch an, aber 
er wird einem nach Anfall Verzichtenden gleichgeachtet. Diese 
Modifikation wird angenommen, um eine Thronfolgerecht 
vernichtende Wirkung des Verzichtes im Zeitpunkte seiner 
Erklärung und damit eine Disposition der Parteien über die 
Thronfolge nicht behaupten zu müssen. Zu diesem Zwecke 
werden zwei Fiktionen aufgestellt. Verzichtserklärung vor 
Anfall hat rechtlich die Bedeutung, daß nach Anfall die 
Ausschlagung nicht mehr erklärt zu werden braucht. Wer 
nach Anfall ausschlägt, gilt rechtlich als einer, der schon vor 
Thronanfall wegfie. Durch diese zweite Fiktion wird aber 
— indirekt — eben anerkannt, daß der Verzicht bereits vor 
Anfall peremtorische Wirkung besitzt. Der Verzicht vor Anfall 
ist es, welcher bewirkt, daß nach Thronerledigung der Ver- 
zichtende als rechtlich gar nicht mehr vorhanden behandelt 
wird. Nicht bloß eine Verzichtswillenserklärung, sondern auch 
ein Verzichtswillensentschluß ist ım Momente der Thron- 
erledigung nicht mehr erforderlich. Der vor Anfali Ver- 
zichtende ist kein nach Anfall an ihn Ausschlagender, sondern 
ein die Krone überhaupt nicht Erwerbender. 
ß) Nach Binding S. 20 entbehrt die Verzichtserklärung 
vor Anfall der rechtlichen Bedeutung: „Ein Verzicht vor 
Anfall ist nicht freigegeben“; er ist rechtlich bedeutungslos. 
Diese Auslegung entfernt sich noch weiter vom positiven 
Rechte. Wir bemerkten oben: geltendes Recht sei, daß, wer 
nach Anfall verzichtet, rechtlich so behandelt wird, als sei er 
nie Herrscher gewesen. Genauer lautet der Rechtssatz: ein 
nach Anfall Verzichtiender wird rechtlich einem vor Anfall 
Verzichtenden gleichgeachte. Kommt aber einem nach Anfall 
Ausschlagenden dieselbe Rechtsstellung wie einem vor Anfall 
Verzichtenden zu, so muß Verzicht vor Anfall doch rechtliche 
Bedeutung besitzen. Die Behauptung: es gebe keinen recht. 
lichen Verzicht vor Anfall, stellt sich also über die Rechts-
	        
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