Full text: Modernes Fürstenrecht

8 47. Die Rechtskraft des Thronfolgeverzichta. 403 
ordnung, beseitigt Rechtssätze, überschreitet die zulässigen 
Grenzen juristischer Auslegung. 
c) Dies finde noch einen Beleg aus jüngster Geschichte. 
Zur Zeit des Ablebens des Herzogs Ernst II. von Sachsen- 
Koburg und Gotha (22. August 1893) galt für die Thronfolge 
in diesen Herzogtümern noch unverändert die Bestimmung 
von & 9 des koburg-gothaischen Staatsgrundgesetzes vom 
3. Mai 1862, wonach von der Nachfolge in die Regierung der 
Herzogtümer nur ausgeschlossen sind „der regierende König 
von England und der voraussichtliche englische Thronfolger 
dergestalt, daß die Regierung sofort auf den nach ihnen 
zunächst berechtigten Prinzen übergeht“. Somit war, da Königin 
Viktoria schon aus dem allgemeinen Grunde fehlender Agnat- 
schaft außer Betracht blieb, damals kraft Verfassung nur 
ausgeschlossen der englische Kronprinz, Prinz Albert Eduard 
von Wales, der jetzige englische König. Nach der eben dar- 
gelegten herrschenden Lehre vermag vor Anfall erfolgender 
Verzicht die Thronfolgereihe der Berechtigten vor Eintritt 
des Thronanfalls nicht zu ändern und entbehrt daher die 
Urkunde des Prinzen von Wales vom 19. April 1863, durch 
welche dieser nicht nur für sich, sondern auch für seine 
Nachkommen den jüngeren Linien auswich, für die Frage 
rechtlicher Bedeutung, welcher der sukzessionsfähigen Prinzen 
bei Thronanfall der „zunächst berechtigte“ sei. Somit blieb 
der nach dem Prinzen von Wales „zunächst berechtigte“ 
Agnat dessen Sohn @eorg Friedrich Ernst Albert (geb. 1865), 
der dermalige englische Kronprinz und Prinz von Wales. 
Ihm also fiel laut Verfassung $ 9 bei Ableben des in Koburg und 
Gotha regierenden Herrn die Krone an. Vom Standpunkte 
der herrschenden Lehre mu/s somit erwartet werden, daß, 
wenn nicht er, sondern Alfred, der Herzog von Kdinburg, die 
Regierung antrat, irgendwie offiziell verkündigt wurde, Prinz 
Georg habe die ihm angefallene Krone ausgeschlagen, also 
den für ihn von seinem Vater bereits unter dem 19. April 1863 
ausgesprochenen Verzicht nach Anfall, obwohl er es hätte 
tun können, nicht widerrufen. Statt dessen beginnt das 
Regierungsantrittspatent des neuen Herzogs Alfred vom 
2b. August 1893 nach der Mitteilung von dem Ableben des 
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