446 & 55. Die übrige Rechtsstellung zum Siaate.
Bundesratsbevollmächtigte braucht überhaupt nicht stimm-
führendes Bundesratsmitglied zu sein und selbst der stimm-
führende handelt nach Instruktion. Hier dagegen der Fürst:
im Lande besitzt er allein soviel Stimmgewicht bei der Gesetz-
gebung, wie das ganze Abgeordneten- und das ganze Herren-
haus allein, und im Reiche steht er über dem Bundesrate;
er leitet die Stimmen im Bundesrat. Also reicht bei solchen
Unterschieden nicht aus zu sagen: auch hier besteht lediglich
die Alternative: die Wahl zum Abgeordneten ablehnen und
Landesfürst bleiben oder diese Wahl annehmen und als
Landesfürst abdanken. Abgeordneteneigenschaft und landes-
fürstliche Stellung sind ihrem politischen Gewicht nach
zu unterschiedlich, als daß man glauben könnte, die Rechts-
ordnung ließe zu, sie in dieser Weise als politisch gleichge-
wichtig zu behandeln. Die Frage einer Wahl zwischen beiden
kann der Gesetzgeber gar nicht aufgeworfen haben. Er kann
gar nicht zugelassen haben, daß der Landesfürst (Kaiser,
Regierungsverweser), solange er dieses ist, vor eine solche
Wahl gestellt wird. Der Gesetzesgeber hat ihn von vornherein
für untauglich zur Abgeordnetenwahl erklärt. Er ist nicht
wählbar. Eine Reichstagswahlstimme auf den Kaiser, einen
Bundesfürsten oder Landesverweser ist ungültig; kein Landes-
herr besitzt zum Landtag seines Staates passives Wahlrecht,
Zum Landtag eines anderen Stastes kommt ihm, das Vor
handensein der allgemeinen Voraussetzungen hierfür ange-
nommen, Wählbarkeit zu. Mit Recht bemerkt Laband, Staats-
recht des Deutschen Reiches bei Marquardsen 3. Aufl. 1902
S. 54: „Nicht wählbar zum Reichstage sind die Landesherren
der deutschen Staaten als Träger der souveränen Reichs-
gewalt und Vollmachtgeber der Bundesratsmitglieder“. Vgl.
auch dessen großes Reichsstaatsrecht 4. Aufl. Bd. I S. 291.
ßß) Hoffmann meint über diesen Unterschied mit der
Bemerkung hinwegkommen zu können (S. 259): „Gegebenen-
falls könnte ein Fürst eher geneigt sein, auf seinen Thron
zu verzichten, als ein Mitglied der Oberrechnungskammer —
welches kraft Gesetzes nicht Angehöriger des Landtags werden
kann — auf sein Amt“. Er spielt hiermit die Frage auf das
wirtschaftliche Gebiet hinüber. Allein nicht auf diesem,